Schrift

Schreiben können nur die Anderen

Schreiben, egal was, das können doch nur die Anderen. Mein Ding ist Lesen, Lesen und nochmal Lesen, eben das, was die Anderen geschrieben haben. So dachte ich es mir, so hatte ich es mir in meinem Kopf zurecht gerückt, so wußte ich es aufgrund schulischer Erfahrungen. Meine Aufsätze ließen die Deutschlehrerin leider nicht in Jubelschreie ausbrechen und Begeisterungstürme blieben ebenfalls aus, lediglich ein schwaches „Nun ja, ganz schön geschrieben, ich habe es mit einer 4 honoriert“, waren ihr Kommentar. Schnell wurde daraus mein Glaubenssatz „Ich kann das nicht“.

Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade der wundervollen Maria Al-Mana vom „Unruhewerk“ teil, die für mich ein Vorbild ist, was das Schreiben und Texten betrifft. Sie hat gefragt: „Hilft dir das Schreiben? Wenn ja, wobei?

Schreiben? Nein, das kann ich nicht

Und so habe ich gekritzelt, immer per Hand: Gedanken auf Zeitungsränder, kurze Notizen auf Zettel, Erinnerungsfetzen in den Terminkalender oder längere Einfälle in ein Heft, gerade wie es sich ergab. Die Ränder der gelesenen Bücher füllten sich mit Einträgen von Wissenswertem, die leeren ersten oder letzten Seiten mit einer kurzen Inhaltsangabe und weiteren interessanten Informationen, die ich nicht vergessen wollte; alles Bruchstücke, Randnotizen, Fragmente. Längere Texte, eventuell sogar über mehrere Seiten? Nein, das kann ich nicht.

Vergiss sofort alle Glaubenssätze und fang an

Und so habe ich fein säuberlich mit der klapprigen Schreibmaschine geschrieben, als ich die Stelle der Geschäftsführerin in einem Restaurant annahm. Mein Arbeitgeber wollte gern eine Hauszeitung für die Gäste mit Berichten, Anekdoten und Artikeln zu Kraut und Rüben, Menschen und ihrer Arbeit, Einkaufen und Rezepten. „Ja, aber das kann ich . . . äh, klar, mache ich.“ (Oh Schreck, was soll ich tun?) Glaubenssätze vergessen und . . . schreiben, schreiben, schreiben. Ganz einfach. Es hat Tage gedauert, wirklich zufrieden war ich nie, doch die Nr. 1 der Gästezeitung erblickte das Licht der Welt. Schreiben? Ja, ich kann das.

Bücher für meine Kinder

Und weil ich das jetzt konnte, habe ich ein Buch geschrieben, genauer gesagt gleich 3, gleichzeitig. Es waren die Tagebücher für meine Kinder mit Aufzeichnungen von der Schwangerschaft über die Umstände ihrer Geburt bis zur Konfirmation mit 14 Jahren. Eine Großtat? Ja. Schreiben? Ja, das konnte ich jetzt, liebevoll, schnell, zackig, auf den Punkt.

Schreiben geht immer besser

Und weil es sich gut anfühlte und schreiben kein Problem mehr war, habe ich Reiseberichte geschrieben. Die Begebenheiten jeder Reise und sei sie noch so kurz, wurden in einem schönen Heft festgehalten. Die Erlebnisse des Tages abends zu reflektieren und niederzuschreiben, die wunderbare Momente und bösen Überraschungen festzuhalten, dazu Zeichnungen, eingeklebte Prospektschnipsel oder Fotos, ergeben schöne Reisetagebücher, in denen ich immer wieder gerne lese. Schreiben, ja, das kann ich, immer besser und besser. Ständig lerne ich dazu.

Schreiben schaffte Ordnung in meinem vermüllten Hirn

Und wenn dunkle Wolken heraufzogen, habe ich mich in den Sonnenschein hineingeschrieben. Als das Wirrwarr in meinem Kopf zunahm, das Gedankenkarussell mir nachts den Schlaf raubte und mich tagsüber energielos zurückließ, begann ich Morgenseiten zu schreiben. Das sollte gut sein, um die versteckte Kreativität eines Menschen hervorzulocken, hatte ich im Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron gelesen. Nun, vielleicht stoppt es auch das Grübeln, dachte ich mir und begann. Gleich nach dem Aufstehen habe ich die empfohlenen drei Seiten vollgeschrieben. Die Gedanken flossen aus dem Kopf in die Hand, vom Stift auf das Papier, bildeten Worte und Sätze: unreflektiert, unzensiert, nur schreiben, schreiben, schreiben und dann wegpacken. Welch eine Freude, es funktionierte.

Schreiben in Krisenzeiten

Und dann kam die größte Krise meines Lebens, mein Mann wurde unheilbar krank. Keine Hoffnung, nichts. Aus Verzweiflung und Tränen, Jammern und Klagen entstand ein Trauer-Tagebuch. Zeile für Zeile, Seite um Seite füllten sich mit Wehmut, Seelenschmerz und Kummer. Darin stehen Fragen ohne Antwort. Es erzählt von Besuchen und tröstenden Gesprächen. Zitate und Gebete vervollständigen diesen treuen Begleiter, welcher mich durch eine dunkle Trümmerwelt wieder hinein in lichtvolle Tage führte. Schreiben wurde zur Therapie, zur Krisenbewältigung.

Was tun, wenn das Rumpelstilzchen im Gehirn zündelt?

Und irgendwann hat es mich gewurmt, dass alle Lebenserfahrungen, Reiseberichte und Alltagsgeschichten in der hintersten Schrankecke oder in einer Kiste auf dem Dachboden verstaubten. Rumpelstilzchen, mein innerer Antreiber, feuerte sofort einen Gedankenblitz durch mein Oberstübchen: „Veröffentliche alles! Und wenn es nur einem einzigen Menschen auf der ganzen Welt hilft, dann hat das ganze Geschreibsel wenigstens einen Sinn.“ „Ja, spinnst du denn, bist du völlig übergeschnappt, ich kann mein Gekritzel doch nicht veröffentlichen, außerdem bin ich keine Texterin, Journalistin oder sonst was,“ brüllte ich das Kerlchen zornig an, „Blödsinn, völlig idiotisch, alles Quatsch. Nein, das geht nicht, vergiss es, ich kann nicht schreiben.“ Doch der Funke ließ ein ganzes Feuerwerk in meinem Kopf explodieren. Und was, wenn ich es doch könnte? Zweifel und Zuversicht duellierten sich. Tagelang war nicht klar, wer gewinnen würde. Letztlich nervte Rumpelstilzchens ständiges Gezeter so sehr, dass ich meinen ganzen Mut zusammennahm und . . . diesen Blog eröffnete.

Die ungenügende Perfektionistin schreibt trotzdem weiter

Vom Lesen zum Schreiben für die Öffentlichkeit, für andere Menschen war es ein weiter Weg, gepflastert mit vielen Unsicherheiten und vor allem fehlenden Selbstvertrauen.

Noch immer liegen voll geschriebene Hefte in den Regalen herum mit einem Notizzettel „Interessiert bestimmt niemanden“.
Noch immer verschwinden viele Beiträge mit dem Vermerk „Nicht gut genug“ in der virtuellen Schublade.
Noch immer möchte die Perfektionistin jeden Artikel unendlich verbessern und es kostet mich jedes Mal Überwindung auf den Button „Veröffentlichen“ zu klicken, auch bei diesem hier, dem 119. Blogbeitrag.

Und trotz und alledem werde ich es immer wieder tun – schreiben, schreiben, schreiben und das Ganze veröffentlichen.
Und wenn es nur einen einzigen Menschen auf der ganzen Welt hilft, dann hat das Schreiben einen Sinn.

Lass uns zusammen LEBEN – LIEBEN – LACHEN
und viele bunte Sachen machen

Deine Elvira

22 Kommentare, sei der nächste!

  1. Hallo Elvira,
    Du hast die sehr verschiedenen Seiten des Schreibens schön beschrieben. Ich schreibe gerade an meinem 2. Roman ( Arbeitstitel: „Die Geliebte“) . Es ist spannend und herausfordernd. UND ES MACHT SPAß !
    Liebe Grüße, Bri vom Meer

    1. Hallo Brigitte,

      ach, ich bewundere Menschen, die so kreativ sind und vor Einfällen sprühen, dass daraus ein ganzer Roman wird. Und bei dir bereits der 2. Übrigens, der Arbeitstitel gefällt mir sehr gut und mein Kopfkino ist angestellt.

      Liebe Grüße ans Meer
      Elvira

  2. Liebe Elvira,

    es ist so wunderbar, wie Du schreibst, so voller Leben und Freude und Hier und Jetzt.
    Was für ein Glück, dass Du den Mut hattest und hast zu schreiben.
    Ich freue mich sehr daran.
    Hab weiter so viele Ideen und Worte, die auch anderen Mut machen.

    Liebe Grüße von Barbara

  3. Liebe Elvira,

    ich kann mich den vorherigen Beiträgen nur anschließen, ich lese Deine Beiträge immer mit Begeisterung,
    vor allem die „Gedanken über die Natur im Reinhardswald“ und „Warum mich ein Waldspaziergang glücklich macht“ lese ich immer mal wieder nach.
    Ich habe mir auch in schweren Zeiten so manches von der Seele geschrieben und die Papiere dann nach einiger Zeit wieder entsorgt.

    Jetzt habe ich begonnen für unsere 2 Enkelchen, schon bald 3 und 5 Jahre, alles aufzuschreiben über die Zeiten bei Oma und Opa. Jede Maus ist ca 1.5 Tage alleine bei uns, und in den Schulferien kommen sie auch zu 2. Da ihre Muttersprache Französisch ist, lernen sie hier dann so ganz nebenbei auch noch Deutsch. Und das hat den besten Erfolg, wenn sie einzeln bei uns sind.

    Ich bin froh, Deinen Blog entdeckt zu haben und freue mich auf noch viele weitere Gedanken und Erinnerungen.

    Einen lieben Gruß
    Judith

    1. Liebe Judith,
      ich freue mich sehr, dass du besonders die Natur-Artikel gern liest. Ein Enkel-Tagebuch, wie wunderwunderschön ist das denn. So etwas hätte ich auch gern, dann wüßte ich mehr über mich aus Kindertagen und auch über meine Vorfahren. Ich finde es so super, dass du es machst.

      Ich schicke dir sonnige Grüße
      Elvira

  4. Liebe Elvira,
    Du hast so einmalig Dein Schreiben reflektiert, es ist eine wahre Freude, es zu lesen. Schreib weiter! Ich schaue bestimmt wieder bei Dir vorbei 😉
    Mir hat diese Blogparade von Maria Almana ebenfalls Freude bereitet 🙂
    Herzliche Grüße
    Geertje

  5. Liebe Elvira,

    mich plagen bei jedem Beitrag Selbstzweifel. Interessiert das Thema überhaupt und habe ich, dem Thema entsprechen, die richtigen Wort gefunden. Ich glaube, das wird sich auch nicht ändern. Ich merke aber, dass auch das Lesen anderer Beiträge schult.
    Jedenfalls freue ich mich immer, deine Beiträge zu lesen.

    Liebe Grüße
    Gudrun

    1. Liebe Gudrun, diese Zweifel werden wahrscheinlich nie vergehen. Ich vergleiche es mit dem Lampenfieber beim Theaterspielen: Aufregung, Ängste, Schweißausbrüche, Leere im Gehirn. Und dann springt man auf die Bühne, präsentiert sich der Öffentlichkeit und alles ist gut.

      Mach auch weiter, es ist gut.

      Liebe Grüße und viel Sonnenschein
      Elvira

  6. Liebe Elvira,
    also, ich lese Deine Gedanken und Erlebnisse sehr gerne ..
    Sie stoßen bei mir immer etwas an. Du bist sehr reflektiert und formulierst sehr gut.
    Tja, das ist schon sowas mit den Lehrern, die unsägliches in einen rein pflanzen .. Gedanken werden Worte werden Taten .. Schön, dass Du schreibst!! Talent kommt halt immer durch und an die Oberfläche!!

    Lieben Gruß, Birgit

    PS: In einem Café hab ich einen tollen Spruch fotografiert.
    WARUM? WEIL ICH‘S KANN!! So ist es .. Wir können es alle!! Jeder sein spezielles!!

    1. Danke, liebe Birgit Annette, ach solch lobende Worte gehen runter wie Öl und auch für das Teilen dieses tollen Spruchs.

      Warum? Darum, weil wir es können

      Einen abendlichen Gruß
      Elvira

  7. Liebe Elvira
    Das Schreiben hat mir schon immer beigestanden, wenn der Wind mir wieder mal scharf ins Gesicht blies. Auch ich habe etliche dicke Jahreskalender gefüllt mit meinen Ängsten, Verlusten und Leid. Ich habe aber auch die Träume nicht vergessen, wie ich mir das Leben vorstelle. Schreiben hat mir geholfen wieder aufzustehen, wenn ich platt am Boden lag, dann konnte ich sehen, wie schön doch das Leben ist.

    Ich lese sehr gern Deine Blogbeiträge, sie ermutigen mich es auch zu tun schreiben, schreiben, schreiben.

    Liebe Grüße
    Edith

    1. Liebe Edith,

      Schreiben hilft eben in allen Lebenslagen. Du hast natürlich Recht, die Träume darf man niemals vergessen und am Besten ist es, sie aufzuschreiben. Vielen Dank, dass Du meine Blogbeiträge gerne liest, das ermutigt mich, immer weiter zu schreiben.

      Das Leben ist schön.
      Ganz herzliche Grüße
      Elvira

  8. Hallo Elvira,
    ja … Schreiben macht total viel Spaß! Ich schreibe auch gerne und viel … aber immer nur nach Lust und Laune … und immer so, wie ich auch reden würde. Da mach‘ ich mir gar keinen Kopf. 🙂

    Ich lese Dich ja schon längere Zeit per Newsletter 🙂 und möchte heute mal Danke dafür sagen … das gefällt mir alles sehr gut.

    Liebe Grüße
    Rita

  9. Liebe Elvira,
    ich finde deinen Beitrag zu meiner kleinen Blogparade ganz fantastisch! Herzlichen Dank dafür! Du bist so offen und ehrlich, fasst sehr präzise zusammen, was einen alles am Schreiben hindern UND beflügeln kann … danke, danke, danke!

    Wer alle Antworten auf meine Frage: „Hilft euch das Schreiben, wenn ja: wobei?“ nachlesen möchte, hier lang: https://unruhewerk.de/schreiben-hilft/

  10. Liebe Elvira,
    als ich Deinen Blog gelesen habe, kam mir wieder die Idee, über mein Leben eine Biographie zu schreiben- was ich mir schon immer vorgenommen hatte. Vielleicht wird es noch einmal wahr. Die Zeit hierzu wird langsam knapp.
    Dann frage ich immer wieder: wen interessiert das überhaupt. Selbst für die Kinder- so habe ich den Eindruck – wird es wohl kaum ein Bestseller.
    Mal sehen – vielleicht finde ich einen Ghostwriter.
    Übrigens: wo sind die „Bücher für meine Kinder“ verlegt? oder schlummern sie noch im Verborgenen?

    1. Die Bücher für die Kinder sind ausschließlich für die Kinder und nur für sie. Und ich kann dir nur empfehlen, schreib dein Leben auf FÜR die Kinder. Selbst wenn es sie bisher nicht interessiert, es kommt die Zeit, da möchten sie wissen wie es früher war, was du erlebt hast. Ich hätte gern eine Aufzeichnung von meinem Vater, den ich nie kennengelernt habe und auch über die „Vertreibung aus dem Sudetenland“ meiner Oma sowie meiner Mutter. Gesprochen haben sie nie darüber, aber vielleicht hätten sie das Erlebte aufschreiben und so verarbeiten können.

      Liebe Grüße
      Elvira

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