Letztes Jahr habe ich zum ersten Mal im meinem Leben eine richtige Fastenkur gemacht. Fasten reinigt ja nicht nur den Körper sondern auch das Gehirn und die Seele. Das führte dazu, dass ich einen mich einschränkenden Glaubenssatz hinter mir ließ: Ohne Essen kann ich nicht leben. Da bekomme ich schlechte Laune, mir geht es nicht gut, ich bin mürrisch, griesgrämig und tyrannisiere mein Umfeld, weil ich Hunger habe. Trotzdem waren diese 8 Tage Fasten wider Erwarten gut gelaufen. Also, was liegt näher, als das Ganze zu wiederholen. Beginn: Sofort nach dem Ende der Rauhnächte, wenn die Vorsätze für das neue Jahr noch frisch sind. Wie mein Fasten verlaufen ist und was diese Zeit alles ans Licht brachte, schildere ich dir in diesem Artikel.
Fasten, also gar nichts Essen, will wohl überlegt sein
Dieses Mal ist es ein sehr geplantes Fasten. Eine Woche lang bereite ich mich auf den Start vor, d.h. den Kühlschrank leer essen, keinen Alkohol, kein Fleisch oder Wurst, wenig Käse, Getreideprodukte, Süßigkeiten oder Kaffee, dafür aber viel Obst, Gemüse, Kartoffeln und Kräutertee. Das erleichtert dem Körper die Umstellung auf das, was da kommt – nichts Essen.
Fasten heißt: sich einschränken und loslassen
Tag 1, Freitag, Abführtag
Morgens gibt es ab jetzt nur noch Basentee. Zwecks Ablenkung gehe ich in die Stadt, um noch ein paar schöne Dinge zu kaufen wie ein Schaumbad und Gesichtscreme, die verführerisch nach Rosen duften. Das benötigte Gemüse für die Brühe und Fastensäfte bringt mir mein „Grüner Bote“ direkt frisch ins Haus.
Dann kommt der nicht so schöne Teil immer näher, das Abführen. Was soll’s? Glaubersalz in ein Glas Wasser auflösen und das Ganze ohne Zögern runterstürzen. Bääh. Wiederlich. Gehört aber dazu. Mache ich nur einmal am Anfang, denn es ist wirklich eine rabiate Methode, um den Darm zu reinigen. Während der Fasttage braucht der Darm weiterhin Unterstützung. Ich helfe ihm jeden zweiten Tag mit Sauerkrautsaft auf die Sprünge, damit er seine Altlasten loswerden kann.
Während das Glaubersalzwasser seine Wirkung entfaltet, lese ich „Die Schönheit der Nacht“, meiner derzeitigen Lieblingsschriftstellerin Nina George. Fasten hat auch was Befriedigendes. Ich gönne mir alles, was ich gerade will und ignoriere die Bügelwäsche, die mich böse anstarrt, weil sie lieber fein säuberlich im Schrank liegen möchte.
Zwischendurch trinke ich Wasser, Tee, Saft oder Gemüsebrühe und fühle mich ziemlich gesättigt.
Tag 2, Samstag, Verluste
Ich wache früh morgens auf, lange vor meiner sonstigen Zeit. Ein leichter Kopfschmerz stört mein Wohlbefinden. Ach, der wird schon wieder verschwinden. Doch er bleibt hartnäckig im Schädel hocken. Gefrustet kämpfe ich mich durch den Tag. Schon jetzt fehlt mir das Kauen, dicht gefolgt vom Verzicht auf Kaffee.
Heute ist Hausarbeitstag. Die Bügelwäsche freut sich wie verrückt, wird jedoch gleich darauf bitter enttäuscht. Zuerst wird der Weihnachtsbaum abgeschmückt und dann die Wohnung geputzt. Damit ist meine Energie erschöpft. Die Wäsche muss bis morgen warten. Schmollend zieht sie sich in ihre Ecke zurück.
Zur Ablenkung versuche ich den Text für das nächste Theaterstück zu lernen, doch mein Gehirn im Hungermodus verweigert seinen Dienst.
Tag 3, Sonntag, Schwere
Mein Energielevel sinkt weiter. Mir ist kalt, außerdem fühle ich mich schwach. Nach dem Bespaßen meiner beiden Enkel zieht mich das Sofa magisch an. Das Buch „Der Pfau“ von Isabel Bogdan leistet mir dabei Gesellschaft. Mein innerer Antreiber, der Nichtstun verabscheut, meckert lautstark herum. Doch es ist mir egal. Hauptsache, ich bin abgelenkt. Vielleicht gehe ich noch raus. Vielleicht aber auch nicht.
Fazit am Abend nach 3 Tagen: Die Luft ist raus. Es ist schwer und anstrengend. Ganz tief in mir drin, also wirklich nur ganz weit entfernt, äußert sich ein besorgtes Stimmchen: „Was soll das alles? Du ernährst dich doch relativ vernünftig, warum dann diese ganze Quälerei? Nur, um dir zu beweisen, dass du durchhältst?“
„Sei still. Ich gehe jetzt ins Bett und schlafe, dann quält mich kein Hunger mehr und morgen früh sieht die Welt bestimmt besser aus“, herrsche ich das Stimmchen an.
Tag 4, Montag, Befreiungsschlag in jede Richtung
5.30 Uhr. Draußen ist stockdunkle Nacht. Was soll das? Wer war so unverschämt, meinen inneren Wecker zu verstellen? Ich versuche nochmal zu schlafen, doch dann gebe ich auf und springe aus den Federn.
Eine leichte Beschwingtheit breitet sich in mir aus, die sich nach dem täglichen Qi gong noch erhöht. Ein zartes luftiges Gefühl. Eigentlich ist Fasten gar nicht so schlimm.
Zum Frühstück ist mir nach heißer Brühe. Wer bestimmt, dass ich die abends essen soll, wenn mir morgens danach ist. Niemand. Sämtliche Lebensgeister sind begeistert von dieser Programmänderung, sprühen vor Energie und wollen raus an die frische Luft. Die gute Laune steigt weiter bei einem Spaziergang im Sonnenschein unter einem wolkenlos blauen Himmel.
Und dabei geht mir ein riesiges leuchtendes Licht auf.
Meine Rauhnachtkarte für den Januar – Einschränkung
Diese Karte gleich zu Beginn des Jahres war der Knaller. Einschränkung stand darauf. Mir fielen dazu nur negative Dinge ein wie Einengung, Begrenzung, Freiheitsverlust, Reduzierung, aber auch atemlos und gefangen sein. Das Wort krabbelt beim Spaziergang in meine Gedanken und will Beachtung. Also gut, wer oder was blockiert mich und verhindert meine freie Entfaltung?
Wenn ich mir diese „Einschränkung“ genau ansehe, stelle ich schon fest, wie verstrickt ich in Denkmustern, Gewohnheiten, Familientraditionen oder Einflüsterungen des Umfeldes bin und mich dabei mehr und mehr aus den Augen verliere. Mein Selbstvertrauen leidet, die Wünsche landen weit hinten in Schubladen und die Lebensfreude versickert im Sand. Doch alles hat zwei Seiten. Wo Dunkelheit und Schatten sind, ist auch Licht und Sonnenschein. Einschränkungen bieten auch Chancen, gestützt auf reichlich Lebenserfahrung. Ich kann die Schrauben neu justieren, darf mich verändern oder sogar ganz aus einem System ausbrechen – allein oder mit Hilfe, vorsichtig Schritt für Schritt oder mit einem gewagten Sprung.
Was schränkt mich nun am meisten ein? Auf jeden Fall mein Perfektionismus, damit verbunden das Gefühl nicht gut genug zu sein. In letzter Zeit aber auch der Trend hin zum Experten oder einem Nischendasein. Gebannt lauschte ich im letzten Jahr den Erfolgsrezepten von Trainern, Coaches und anderen Beratern, welche Konzentration, Fokussierung und die Beschränkung auf ein Thema propagierten. Tröpfchen für Tröpfchen haben mir diese Spezialisten ihre Erkenntnisse eingeflößt. Und 60 Jahr Lebenserfahrung konnten nicht verhindern, dass ich auf ihre Einflüsterungen hörte, mich verbog und fast erstarrt wäre.
Besonders betraf es dieses Blog. Es belastete mich immer mehr, nur Artikel zu schreiben, die sich auf die Probleme einer Frau 50+ beschränkten. Bis heute Nachmittag der Ausbruch aus diesem Denkmuster kam, weil ich mir noch einmal genau die Antworten von Frauen auf meine 3 Fragen angesehen habe: Welche Herausforderungen treiben dich um? Welche Ängste lassen dich nachts nicht schlafen? Welche Themen wünschst du dir im „Septemberfrau“-Magazin?
Weiterlesen: Was ist los bei den Frauen in der zweiten Lebenshälfte?
Und dann traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz: Frau 50+ ist ein buntes Wesen mit vielerlei Interessen. Das bestätigen mir auch die vielen Mails. Herzlichen Dank übrigens dafür.
Also, Schluss mit den Einschränkungen. Das Leben ist nicht nur die Autobahn, sondern bietet verschlungene Wege und sogar Trampelpfade, auf denen wir uns nach Lust und Laune bewegen und entfalten können. Wir tun, was uns in den Kram passt, was uns gefällt, was uns inspiriert und woran wir Freude haben.
Noch mehr Gedanken zum Thema „Einschränkung“ gibt es bei der Freiraumfrau. Sie ist eine Meisterin darin, Begriffe in Bilder zu übersetzen.
Mein Jahreswort 2020 – Vielfalt
Oft schränke ich mich mit Sätzen ein wie „Du kannst nicht auf jeder Hochzeit tanzen“, „Du musst doch endlich mal wissen, was du genau willst“, „Du kannst nicht alles machen, was dir gerade in den Kopf kommt“. Ja, warum eigentlich nicht? Wer will mich denn daran hindern, außer mir selbst?
Fakt ist, ich möchte meine ganze Vielfalt ausleben. Ich liebe es mal hier mal dorthin zu schauen, bin neugierig, was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt, möchte von allem kosten, alles ausprobieren, verreisen, Neues kennenlernen und spannende Erfahrungen machen.
„Die Neugier ist sicher eine der Eigenschaften,
die den Genuss des Lebens garantiert.“
(Compton Mackenzie)
Die meisten Experten raten mir, mich zu fragen, was ich wirklich will, was ich leidenschaftlich gern tue, wofür ich brenne? Schon wieder die Aufforderung mich einzuschränken. Mich interessieren viele Themen. Ich möchte mich in Nachhaltigkeitsfragen austoben (Stichwort: enkeltauglich, plastikfrei, regional und fair), im Garten in der Erde wühlen, mich am Wachsen und Gedeihen der Pflanzen erfreuen, lange Spaziergänge machen, Kräuter sammeln, alle Köstlichkeiten im Kochtopf verarbeiten, Lesen, Schreiben und überall meine Nase hineinstecken, weil es so viel auf diesem Planeten zu entdecken und zu tun gibt.
Und plötzlich ploppte es auf und hat sich festgesetzt:
Vielfalt ist mein Jahreswort für 2020.
Tag 5, Dienstag, Schönheit
Natürlich werde ich wieder sehr früh wach. Heute widme ich mich meiner Schönheit und dem körperlichen Wohlbefinden. Ein Schaumbad ist genau das Richtige. 30 Minuten Entspannung, welch ein Genuss. Mein Herz jauchzt vor Freude, auch wenn mich mein Kreislauf anschließend auf das Sofa zum Nachruhen zwingt. (Was heißt zwingt, mache ich gern.) Danach schwelge ich in Lotions und Cremes. Fühlt sich meine Haut nicht schon viel weicher und sanfter an? Begeistert von meinem Aussehen fühle ich mich gut gerüstet für weitere 3 Fastentage.
Tag 6, Mittwoch, Leichtigkeit
Das Ende naht und ich male es mir in den schillerndsten Farben aus. Die Freude am Schreiben nimmt zu, alles fühlt sich leicht und unbeschwert an. Selbst das Wetter spielt mit und gibt einen Vorgeschmack auf den Frühling mit 12 Grad und Sonnenschein. Mein Ehrenamt lockt mich in den Weltladen „Tintaya“, wo ich Dienst habe. Einmal mehr bin ich dankbar, wie gut es mir hier in diesem Land geht.
Beschwingt gehe ich abends zu meiner „Perle der Lebensfreude“ aus dem Jahr 2010, dem Theater spielen. Da geht es lustig zu, denn wir proben eine Verwechslungskomödie.
Weiterlesen: Die Perlen der Lebensfreude
Tag 7, Donnerstag, Essgewohnheiten
Ein ganzer Tag frei und die Sonne scheint. Ich blättere und lese mich durch eine ganze Bibliothek von Kochbüchern: vegan, vegetarisch und ganz normal. Am Schluss dieser Fastenwoche möchte ich weiter an den Schrauben meiner Ernährungsgewohnheiten drehen.
Vegan schließe ich mal aus, denn auf Butter und Honig mag ich auf keinen Fall verzichten, doch noch mehr vegetarische Tage sollten dabei sein. Mein 10-jähriges Enkelkind ist mir da ein großes Vorbild. Sie hat vor einem Dreivierteljahr beschlossen, sich komplett vegetarisch zu ernähren. Und das zieht sie konsequent durch. Was sie kann, sollte Mimi, also mir, doch wohl auch gelingen. Jedenfalls meistens. Wenn der Festtagsbraten auf dem Tisch steht und die große Familie sich darum versammelt, lange ich auch gern beim Fleisch zu. Und hin und wieder ein knuspriges Stück werde ich mir auch nicht verwehren. Was habe ich beim letzten Betriebsbesuch eines ökologischen Hühnerhofs gelernt: „Wer Eier isst, muss auch 2 Hühner pro Jahr verzehren, damit deren Fleisch nicht irgendwann in der Tiernahrung oder der Tonne landet.“
Tag 8, Freitag, Fastenbrechen
Ich habe es geschafft. Heute ist meine Fastenkur zu Ende.
Da liegt er nun, mein Fastenbrecher-Apfel, ganz dünn geschnitten und auf dem Teller drapiert, damit er nach viel aussieht. Bewusst und genußvoll beiße ich in die kleine Apfelspalte, schmecke den süßen Saft auf meiner Zunge und genieße voller Verzücken, wie sich mein ganzer Mund mit dieser Köstlichkeit füllt. Gibt es etwas Schöneres als Fastenbrechen? Behutsam beiße ich weitere winzige Stücke ab, will diesen Genuss möglichst lange ausdehnen. 30 Mal kauen, klar, Veränderungen brauchen 30 Tage bis sie sich etabliert haben, außerdem hat der Monat 30 Tage, warum also nicht das Gleiche beim Essen. Es dauert schließlich 20 Minuten bis der Apfel vertilgt ist. Wonne pur.
Mittags gibt es die obligatorische Brühe und am Abend Gemüsesuppe. Auch hier begutachte ich andächtig jedes Stückchen Gemüse bevor es im Mund verschwindet. Achtsames Essen könnte man den Vorgang überschreiben.
3 Mal am Tag trinke ich weiter Basen-, Entgiftungs- und Stoffwechseltee.
Tag 9, Samstag, Aufbautag und Entspannung
Zum Frühstück gibt es leckeres Erdmandel-Müsli mit Früchten. Als krönenden Abschluss meiner Fastenzeit gönne ich mir einen Entspannungs-Workshop mit geführten Meditationen, Progressiver Muskelentspannung, Klopfmassage der Meridiane und Hinführung zu achtsamer Atmung. Herrlich entspannt und gefüllt mit Freude gehe ich bei blauem Himmel nach Hause, wo ich mir anschließend Mußezeit mit einem Buch auf dem Sofa verordne.
Abends bereite ich mir Ofengemüse zu. Diese Röstaromen – purer Genuss.
Tag 10, Sonntag, Aufbautag und Ausblick
Heute beende ich meine ganz persönliche Auszeit. Ich habe mir viel Zeit für mich und meine Wünsche geschenkt, für einen Blick nach innen und zum Nachdenken, kurz: für körperliches, seelisches und geistiges Wohlbefinden. Ich habe hingeschaut, wo ich mich einschränke und Vielfalt daraus gewonnen. Als Folge davon wird dieses Blog einige Rubriken mehr erhalten.
Nachdem ich morgens als Küsterin und Lektorin in der Kirche unterwegs war, bereite ich mich nachmittags entspannt auf die neue Woche vor: Jahresplanung im Weltladen steht an, die Betreuung der beiden Enkel und Einarbeiten in das Projekt „Faire Gemeinde“.
Die Gartenfinger jucken, doch sie müssen sich mit Sträucher schneiden und den ersten grünen Arbeiten im Haus begnügen: Kresse, Gerstengras und Asia-Salat säen, die Anzucht von Microgreens versuchen und das Keimen von Sprossen ausprobieren.
Ich freue mich auf das nächste Wochenende, denn dann nehme ich an einer Freizeit des neuen Kirchenvorstands teil. Ich hatte mich im Herbst zur Wahl gestellt und bin prompt gewählt worden. Neuer Lern- und Schaffensbereich. Hoch lebe die neu entdeckte Vielfalt.
Jetzt frage ich dich mal ganz neugierig: „Wie ist das bei dir? Tendierst du mehr nur zu einer Sache und machst die aus ganzen Herzen oder hast du auch ständig neue Flausen im Kopf, die du unbedingt ausleben willst?“ Bin schon sehr gespannt auf deine Antwort.
(Achtung: Jetzt kommt Werbung, weil ich dir was empfehle, von dem ich begeistert bin.)
Von der Freiraumfrau ist auch das Kartenset, welches ich in den Rauhnächten verwende.
Den „Wohlspannungs-Workshop“ habe ich bei Petra Krüger gemacht.
Meinen Basentee habe ich selbst gemischt bei einem Lehrgang vom Kräuter-Thomas.
Lass uns zusammen Leben – Lieben – Lachen
die Vielfalt umarmen und bunte Sachen machen
Deine Elvira
PS: Morgen geht es weiter mit Basenfasten. Das ist relativ einfach. Mal sehen, ob ich darüber noch berichte.