Warum Tanzen dich daran hindert, schreiend aus dem Haus zu rennen

Tanzen ist elementar. Tanzen hilft, die Seele zu reinigen, die Gedanken fliegen zu lassen, sich vom Boden der Tatsachen zu lösen, mit den Engeln zu schweben, woanders zu sein. Tanzen ist gehüpftes Glück, ist Vergessen und Konzentration auf diesen einzigartigen Augenblick.

S O S – nichts geht mehr: Du solltest tanzen

Kennst du das Gefühl? Es geht nichts mehr. Der Kopf schwirrt, alle zerren an dir herum, jeder will was, du fühlst dich überlastet und nachts schläfst du schlecht. Die Anspannung steigt. Am liebsten würdest du weglaufen und dich damit allen Anforderungen und selbst auferlegten Verpflichtungen entziehen. Bevor du schreiend aus dem Haus rennst empfehle ich dir eine simple Übung: Tanzen.

Ein Bischof!!! hat vor Jahrhunderten die Wirkung des Tanzes in ein Gedicht gefasst:

Ich lobe den Tanz,
denn er befreit den Menschen
von der Schwere der Dinge
bindet den Vereinzelten
zu Gemeinschaft.

Ich lobe den Tanz
der alles fordert und fördert
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.

Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit, des Menschen
der dauernd in Gefahr ist
zu zerfallen ganz Hirn
Wille oder Gefühl zu werden.

Der Tanz dagegen fordert
den ganzen Menschen
der in seiner Mitte verankert ist
der nicht besessen ist
von der Begehrlichkeit
nach Menschen und Dingen
und von der Dämonie
der Verlassenheit im eigenen Ich.

Der Tanz fordert
den befreiten, den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte.

Ich lobe den Tanz.

Oh Mensch
lerne tanzen,
sonst wissen die Engel
im Himmel mit dir
nichts anzufangen.

Augustinus Aurelius
(354 – 430), Bischof von Hippo, Philosoph, Kirchenvater und Heiliger

Wo gibt’s denn sowas? Tanzen im Gottesdienst!

Am Sonntag habe ich in „meiner“ Kirche beim Gottesdienst mitgeholfen. Er war unüblich, ganz besonders, denn es ging um’s Tanzen – genauer gesagt um den „Hit from Heaven 2017“, einer Aktion von Radio FFH. In diesem Jahr fiel die Wahl auf „Und wenn sie tanzt ist sie woanders“ von Max Giesinger. 200 m vor der Kirche hörte ich die ersten Klänge des Liedes. Die Band, bestehend aus sehr jungen Menschen, probte gerade.
Und mit mir geschah etwas: Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, meine schon gute Laune verbesserte sich nochmals, mein Schritt wurde beschwingter und der Gang aufrechter, selbstbewusster. Vorfreude auf den heutigen Gottesdienst schlich sich ein.

Nach dem Öffnen der Kirchentür umfing mich die Musik und es ging gar nicht anders – aus dem Gehen wurde ein Tänzeln. Auch später beim Sitzen gelang es nicht, die Muskeln unter Kontrolle zu halten. Die Füße wippten im Takt mit, und der übertrug sich auf den ganzen Körper. Nicht nur bei mir. Der Pfarrer drehte auf dem Weg zum Altar eine Pirouette, die Lieder aus dem neuen Gesangbuch taten ein übriges und jeder der vielen Besucher hatte ein gelöstes glückliches Lachen im Gesicht. Ja und fast am Ende des Gottesdienstes passierte es doch noch: Der Funke sprang auf alle über. Es wurde geklatscht, gesungen und so gut es ging in den Bänken getanzt. Ach, war das schön. Mal so ganz anders, so voller Lebensfreude.

Zum Anhören und Mittanzen: Max Giesiger „Und wenn sie tanzt ist sie woanders“

Tanzen ist einer der roten Fäden durch mein Leben

Ich tanze gerne, sehr sehr gerne. Tanzen zieht sich durch mein Leben wie ein roter Faden. Wenn sich das Leben nach Wünschen und Träumen richten würde, wäre ich Primaballerina geworden. Doch daraus wurde nichts. Das wenige Geld brauchten wir für Nahrung & Co., Firlefanz konnten wir, 3 Frauen aus 3 Generationen, uns nicht leisten. Trotz alledem war ich glücklich, wenn ich vor dem Spiegel stand, Tanzschritte übte und in eine andere Welt eintauchte.

Ab 16 konntest du mich jedes Wochenende in einer Disco finden und mit 25 bedienten Tanzfilme meine Sehnsucht. Ach, John Travolta im weißen Anzug in Staying Alive oder Patrick Swayze als verrufener Tanzlehrer in Dirty Dancing. Da gerate ich heute in meinem hohen Alter von 58 noch ins Schwärmen und sehe mir gern die X. Wiederholung an.

Mein 40. Geburtstag war eine wilde Tanzparty. Die Gäste, die sich unterhalten wollten, hatten Pech. Diejenigen, die über Tische und Bänke tanzen wollten: Glück.

Tanz ist die Poesie des Fußes (John Dryden)

Mein verstorbener Mann und mein jetziger Partner sind leider Tanzmuffel, doch alle 3 Kinder sind da anders gestrickt. Als ich nicht mehr peinlich war, haben wir zusammen auf allen möglichen Feiern getanzt. Die Hochzeit meiner Tochter war ein rauschendes Fest über alle Generationen hinweg. Alle zwischen 5 und 87 Jahren haben sich im Tanz zusammengefunden und bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Tanzen verbindet die Kulturen über jede Sprachgrenze hinweg. Sowohl bei einer russischen als auch einer kurdischen Hochzeit wurde ich gleich in den Kreis der Tanzenden aufgenommen. Dieses „sich-einlassen“ auf andere Menschen verbindet und schafft Vertrauen.

Tanzen – immer und überall, allein und gemeinsam

Tanzen geht immer: beim Bügeln, beim Kochen, beim “durch die Wohnung gehen“ oder weil ein fetziges Lied aus dem Radio ertönt. Getanzt wird in Küche, Keller, Garten, in Festzelten, Bootshäusern oder „aus der Reihe“, weil man vor Glück fast zerspringt oder seine Energie austoben muss, weil man gestresst ist oder die Last des Alltags loswerden will.

Gewöhnlich tanzt man zu zweit nach einer vorgegebenen Schrittfolge. Ich tanze meistens allein, für mich. Morgendliche Fitness bringt mir der Bi-Ba-Butzemann-Tanz. Alle Körperteile werden dabei ordentlich gerüttelt und geschüttelt. Danach sind alle Knöchelchen wieder an ihrem Platz und der Tag kann beginnen. Der Tanz zwischendurch zur Lieblingsmusik ist verrückt, rockig oder einfühlsam dramatisch, je nach Stimmungslage. Der Kopf wird ausgeschaltet, hat nichts mehr zu melden. Alles was mich bedrückt kann ich loslassen: Trauer, Ängste, Sorgen, das was an mir zerrt oder Gedanken, die nie zur Ruhe kommen. Am Ende fühle ich mich leer und frei.

Tanzt, tanzt, tanzt

Tanz ist Hingabe, ist Leidenschaft, ist Kampf, ist Liebe, ist Träumen, ist das Erzählen einer Geschichte, ist die Sprache des Körpers zur Musik. Tanz ist an kein Alter gebunden und ganz wichtig: Jeder kann tanzen. Die Standard-Ausrede der Männer ist damit hinfällig. Sie müsste eher heißen: „Tut mir leid, mir fehlt der Mut zum Tanzen.“

Pina Bausch, die große Dame des Tanzes, verband in ihren Choreographien das Tanzen mit Theater, Berufstänzer mit Laien oder Alt mit Jung zu einer neuen Form der Darstellung. Der Trailer und ein paar Hintergrundclips zum Film „Pina – tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren . . .“ von Wim Wenders (2011) zeigen das sehr eindrücklich.

Und? Ist der Funke übergesprungen? Packt dich die Lust auf’s Tanzen?

Warum wir alle tanzen sollten, am meisten aber im Alter

  1. Tanzen macht Spaß. Wenn du damit begonnen hast, willst du nie mehr aufhören. Es ist die gesündeste Droge, die es gibt.
  2. Tanzen ist überall zu jeder Zeit machbar. Du brauchst keine speziellen Klamotten, keine Geräte, noch nicht einmal andere Menschen. Du brauchst nur dich.
  3. Tanzen ist das Beste, um im Alter gesund und fit zu bleiben.
    Muskeln und Gelenke werden trainiert, die Durchblutung verbessert, der Blutdruck reguliert und sogar die Knochendichte in der Menopause wird positiv beeinflusst.
  4. Das Gehirn profitiert am meisten vom Tanzen. Am aussagekräftigsten ist die Einstein Aging Study. Sie begleitete Menschen über Jahrzehnte und kam zu einem unfassbaren Resultat: Das Risiko an Demenz oder anderen degenerativen Leiden zu erkranken reduziert sich um sagenhafte 79 %. Weil alle Sinne und der gesamte Körper angesprochen werden, wirkt Tanzen sowohl auf die rechte als auch die linke Hirnhälfte, beide arbeiten besser zusammen. Also: Runter vom Sofa und tanz, tanz, tanz – sonst bist du (vielleicht) verloren. Falls du es lernen willst, gibt es in einer Tanzschule soziale Kontakte obendrauf.
  5. Tanzen macht glücklich, fördert das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, verjagt Ängste, bekämpft Stress, löst Anspannungen auf. Aber das und mehr hatten wir oben schon.
  6. Tanzen ist angesagt, absolut trendy, erlebt gerade einen wahren Boom.

Grandios: Tanzkurse und manche nur für Frauen

Du bist allein? Dein Mann oder Partner mag nicht mit? Es gibt keine Ausrede. Schlag mal das Programm der Volkshochschulen auf. Vom Orientalischen Tanz über Steppen, Tanzreisen bis hin zu Irish Dance oder Tribaltanz (was auch immer das ist) bieten sie eine Fülle an Möglichkeiten und das für wenig Geld. Was hält dich zurück? Probier es aus. Es ist grandios.

Nun habe ich ganz viel von einigen Menschen und mir verraten. Schenk mir doch auch einen Kommentar, warum, wieso und zu welchen Gelegenheiten du tanzt? Ich freue mich darauf.

Lass uns zusammen Leben – Lieben – Lachen
im Tanz zu den Engeln fliegen
und bunte Sachen machen

Deine Elvira

6 Kommentare, sei der nächste!

  1. Ja, auch ich teile deine Tanzfreude. Bin u.a. Tanz-Sozialtherapeutin und habe auch einige Zeit kreativen Kindertanz unterrichtet.
    Für mich ist Tanz Entspannung, ein kreatives Ventil, eine große Liebe meines Lebens und eine Leidenschaft. Tanzen hält mich fit, flexibel, gesund und macht mich glücklich.

    1. Hallo Marie, du glückliche Fünfzigerin. Vom Beruf einer Tanz-Sozialtherapeutin habe ich noch nie gehört. Sehr interessant. Schön, dass du den Artikel mit deinen Erfahrungen ergänzt.

      Liebe Grüße
      Elvira

  2. Deine Tanzfreude teile ich. Seit 10 Jahren bin ich gehbehindert, seitdem tanze ich mit Händen und Fingern, mit inzwischen vielen verschiedenen Varianten auf allem, was sich für rhythmisches Klopfen anbietet. Ich entdecke auch immer neue Klatschvarianten, wenn mich die Musik mit ihren Klängen erfasst! Herzliche Grüße

    1. Lieber Johann,

      da wird mir gerade ganz warm ums Herz. Mit Händen und Fingern tanzen und sich vom Klang erfassen zu lassen, welch wunderbares Gefühl.

      Ganz herzliche Grüße
      Elvira

  3. Warum sind Männer ab einem gewissen Alter solche Tanzmuffel ? Hast Du das auch schon mal analysiert ?
    Aber ich denke: da gibt es andere „Freizeitvergnügen“ die weniger anstrengend sind – oder?

    1. Männer sind nicht erst ab einem „gewissen Alter“ Tanzmuffel. Ich mache mir meine Analyse mal einfach: Ich glaube sie werden dazu erzogen. Sie sehen ihre Väter nie tanzen, warum sollten sie später Begeisterung dafür aufbringen?

      Liebe Grüße
      Elvira

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