Huch, wo kommt das denn so plötzlich her? Waldbaden. Habe ich etwa einen wichtigen Trend übersehen, nur weil ich keine Zeitung lese? Ein Trend, der in den 1980er Jahren in Japan seinen Anfang nahm und sich nun in unseren Gefilden ausbreitet. Waldbaden, ein Begriff, der bei mir zu Irritationen führt.
Nehme ich dieses Waldbaden mal wörtlich, stelle ich mir einen Holzzuber, vollgefüllt mit dampfendem Wasser und kostbaren wohlriechenden Essenzen vor, in dem eine feenhafte Schönheit liegt und den Zauber des sie umgebenden Grüns genießt. Hach, das hat was, ist Wellness pur. Das will ich auch.
Kinderglück im tiefen Wald
Natürlich geht es auch einfacher, so wie ich es als Kind noch getan habe. Ab in den Wald und sich dann tief in das Laub hineinwühlen (machen meine Füße heute noch). Das raschelt so schön, riecht nach Erde und einem bisschen Vergänglichkeit. Oft haben wir uns Hütten gebaut aus Zweigen und im Wald gelebt. Hatten diese grünen Häuser ein Badezimmer zum Waldbaden? Ich weiß es nicht mehr. Nur dass wir, die Kinder des Dorfes, uns im Sommer jeden Tag im Wald aufhielten. Es gab sogar eine Waldschule, wohin der Unterricht verlegt wurde, wenn es zu heiß war, um in einem Klassenraum zu sitzen.
Vorbei sind die Zeiten von Kinderglück und endloser Freiheit. Findest du heute Kinder allein im Wald? Mit Sicherheit nicht. Siehst du Erwachsene, die einfach so durch den Wald schlendern, hier und dort stehen bleiben, um ihn mit allen Sinnen zu genießen? Selten bis nie, außer wenn du mir begegnest. Wenn jemand in den Wald geht, so doch meistens aus sportlichen Zwecken, zum Joggen, Wandern oder Nordic Walking (klack, klack, klack). Selbst vor dem Wald macht der Anspruch an höher, schneller, weiter keinen Halt, lassen wir uns hetzen von Fitnessuhren und anderen Überwachungsprogrammen.
Der Wald – märchenhaft und voller Geheimnisse
Dabei ist der Wald seit jeher ein magischer Ort, fern von Hektik, Lärm, Raum und Zeit. Viele Märchen wären ohne dessen Bewohner nur halb so spannend. Im dunklen Wald wohnte die Oma von Rotkäppchen, Hänsel und Gretel begegneten dort der Hexe und Schneewittchen verbarg sich vor der bösen Stiefmutter. Hier tummelten sich gute und böse Gestalten, versteckten sich Zwerge und Feen, wohnten Räuber oder Schreckgespenster.
Es ist ein großes Privileg, umgeben von grünen Wäldern zu leben, welches ich so oft es geht in vollen Zügen genieße. Zusammen mit meinen Kindern und später den Enkeln verbrachte ich ganze Tage im Reinhardswald. Mal waren wir auf der Suche nach verborgenen Zauberwesen, mal auf der Flucht vor Ritter Kunibert. Wir köchelten seltsame Zaubertränke in Baumhöhlen, knackten Bucheckern, bewunderten die Struktur der Farne und ließen uns von Waldgeistern behüten, wenn wir auf umgefallene Baumriesen kletterten.
Ich gehe seit Jahrzehnten in den Wald, früher zum Spiel, heute wegen der Bewegung, schlafloser Nächte, zur Freude oder vielleicht einfach aus Gewohnheit. Bereits beim Eintauchen in das grüne Blätterdach hebt sich meine Stimmung und alles Belastende fällt ab. Hinterher geht es mit frischer Energie und frohgemut in den Tag. Doch auch wenn ich mich innerlich unruhig fühle, mich viele anstehende Aufgaben hektisch werden lassen oder ich auf der Suche nach Lösungen bin, ist der Wald für mich der richtige Ort. Er erdet mich und gibt auf alles, was ich an ihn herantrage, eine Antwort. Mal kommt sie gleich, mal dauert es. Darf ich mich neuerdings „Waldbaderin“ nennen.
Waldbaden – ganz neu oder schon immer da?
Mein Waldspaziergang, oder ist es Waldbaden, folgt keinem festen Ablauf, selbst wenn ich jeden Tag den gleichen Weg nehme. Mal bin ich schnell wieder zuhause, mal nehme ich mir alle Zeit der Welt, um dieses Wunderwerk der Natur ganz bewusst wahrzunehmen. Dann lehne mich an die alte Eiche, fühle ihre raue Borke unter meinen Händen, höre das Knarren ihrer Äste und den Wind, der durch ihre Blätter streicht, während der würzige Geruch von Harz in meine Nase kriecht. Ihre Lebenszeit inspiriert mich. Ich stelle mir vor, wie sie seit Ewigkeiten hier steht, fest verankert in der Erde. Ein bisschen was von ihrer Kraft nehme ich mit zu mir nach Hause. Wenn mir danach ist, halte ich diese Eindrücke in einem Foto fest. Daraus entsteht meine Sammlung „Glücksmomente am Wegesrand“.
Mensch und Wald – seit ewigen Zeiten gibt es diese Verbindung. Heute haben wir sie aus den Augen verloren, da der größte Teil der Bevölkerung in Städten wohnt, eingeschlossen zwischen Mauern, Beton und Glas. Natur oder sogar Bäume kam im Denken von Stadtplanung nur am Rande vor, zunächst mussten die Menschen ein Dach über den Kopf haben. Daneben Prestigeobjekte im Wettstreit um höher und aufregender. Nachdem Smog und Feinstaub das Leben in den Metropolen zur Qual machten, findet ein Umdenken statt. Die Fassaden von Wolkenkratzern werden zu vertikalen Gärten. Ganze Landschaften sollen so auf engstem Raum entstehen. Schau mal diese Entwürfe zukünftiger Hochhäuser an. Ganz phantastisch.
Zurück zur Natur, zu unseren Ursprüngen oder ab ins Grüne, am besten in den Wald, ruft uns die Sehnsucht zu. Da kommt Waldbaden ins Spiel. Das Wort zergeht auf der Zunge und die Sinne zerfließen vor lauter Wonne. Es hört sich nach Ruhe und Entspannung, nach endlos viel Zeit und Seele baumeln lassen an. Wie anders klingt dagegen Waldspaziergang oder noch schlimmer „durch den Wald laufen“, was in beiden Fällen Eile suggeriert.
Waldbaden ist klar im Kommen
Erstaunt stand ich kürzlich in einer Buchhandlung vor dem riesigen Aufbau neu erschienener Bücher, die sich alle diesem Thema widmen. Man kommt nicht daran vorbei. Sie scheinen sich explosionsartig auszubreiten und ich habe das Gefühl, täglich kommen Neue dazu. Ich habe mal wahllos drei herausgegriffen (eine Komplettübersicht findest du, na klar, bei Amazon):
„Heilsames Waldbaden“ * heißt das Buch des weltweit führenden Shinrin Yoku-Experten (japanisch für Waldbaden) Yoshifumi Miyazaki. Er vereint in seinem Buch altes Wissen mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Umweltmedizin und Waldtherapieforschung. Seine Tipps versprechen eine Senkung des Stresslevels, Stärkung des Immunsystems, Regulierung des Blutzuckerspiegels, innere Ruhe und erholsamen Schlaf.
Doch auch hier in Deutschland gibt es immer mehr Bücher über die heilende Kraft der Natur. Vorreiter ist hier sicher Clemens G. Arvay, der die Heilung aus dem Wald in seinem Bestseller „Der Biophilia-Effekt“ * beschreibt.
Annette Bernjus beschreibt zusammen mit Anna Cavelius in „Waldbaden“ * 10 Zutaten, die uns helfen, in der unverfälschten Natur wieder zu uns selbst zu finden, uns zu zentrieren und von Stress und Eile abzugrenzen: Entschleunigen – Innehalten – Sinne öffnen – Staunen – Achtsamkeit – Meditation – Atmen – Sanfte Bewegungen – Augenentspannung – Solozeit.
Gibt es eine genaue Anweisung zum Waldbaden?
Erwischt, ich gestehe, ich habe bisher keines der Bücher gelesen und weiß daher nicht, wie man das richtig macht. Ich gebe dir jetzt einfach weiter, wie meine Waldspaziergänge oft ablaufen:
- Als Wichtigstes: Lass das Handy zuhause
- Nimm dir Zeit
- Gehe langsam oder wechsele deine Schrittart
- Nimm diese grüne Umgebung bewusst wahr
- Blick dich um, sei neugierig
- Öffne dein Herz
- Atme
- Werde ruhig und still
- Schalte alle deine Sinne ein
Klick hier und du erfährst genau, warum mich Waldspaziergänge so glücklich machen.
Waldbaden, Waldspaziergang, im Wald herumlaufen, egal wie man es nennt: Wenn es wieder mehr Menschen in den Wald lockt, sie wieder den Kontakt zur Natur und zu sich selbst finden, dann ist das ein wundervoller Trend, den ich von ganzen Herzen befürworte.
Und du? Zieht es dich auch raus in die Natur? Schreib mir doch einen Kommentar über deine grünen Erfahrungen. Danke sehr.
Lass uns zusammen Leben – Lieben – Lachen
im Wald herumlaufen und bunte Sachen machen
Deine Elvira
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Liebe Elvira, wow, du hast dein In-den-Wald-eintauchen so wundervoll beschrieben. In deinen Worten habe ich mich gefunden. Dir immer viel Freude in der Natur.
Und vielen Dank 😊
Liebe Elvira,
Ja es ist ein Trend und ja Du machst alles richtig, so soll es sein.
Ich glaube, Du weißt nicht, daß ich auch eine der Waldbademeisterinnen bin. Das hat nun wirklich nichts mit Baden in einer Badewanne im Wald zu tun sondern mit „Eintauchen in die Waldatmosphäre“ . Genau wie Dich hat es mich geprägt, in der Nähe eines Waldes aufgewachsen zu sein. Darüber bin ich sehr froh. Aber wer kennt das schon? Du beschreibst das sehr schön, das höher-schneller-weiter auch im Wald. Joggen, mountainbiken, nordisches Walken. Aber wie viele Menschen bewegen sich durch die Natur und nicht in der Natur. Und das auch noch achtsam! Und ich kenne in meinem Umfeld hier keine Frau, die alleine in den Wald geht. Dafür gibt es dann Waldenthusiasten wie mich, die Begleitung anbieten, kleine Übungen, Meditationen und einfach einen Rahmen bieten innerhalb dessen man wunderbare Erfahrungen machen kann im Spiegel der Natur.Mir ist es ein grosses Anliegen, Menschen wieder mit der Natur zu verbinden. Liebe Grüße!
Liebe Anne,
du liegst genau richtig, ich wußte bisher wirklich nicht, dass du eine der Waldbademeisterinnen bist. Nun bin ich schlauer. Auf jeden Fall herzlichen Dank, dass du den Artikel so wundervoll ergänzt und weiter aufklärst, wie wichtig die Natur für uns Menschen ist. Ich glaube, dass kann man gar nicht oft genug betonen.
Mit grüntönigen Grüßen
Elvira,
die immer allein im Wald unterwegs ist und dich immer noch gerne mal persönlich kennenlernen möchte. Doch gut Ding braucht Zeit und Raum.