Nun wird es ernst, sehr ernst. Unser Abenteuer 5 Wochen mit dem Wohnmobil durch Neuseeland beginnt und im Hintergrund lauern bereits widerliche Fieslinge auf uns, Sandflys genannt. Doch noch ahnen wir nichts.
Erst ans Meer, dann ins Land
Das große Fahrzeug ist für die Herren kein Problem, der Linksverkehr schon eher, doch alles klappt prima. Nachdem wir auch noch Unmengen von Lebensmitteln verstaut haben, zu Preisen, die uns erstarren lassen, hält uns nichts mehr auf. Fast nichts mehr, denn ich möchte sofort ans Meer. Nachdem alle wissen, wie es ist, wenn ich „ungehalten“ bin, wird ein Abstecher nach Kaiapoi zum Pinienstrand eingeschoben. Wundervoll. Der stürmische Wind treibt die Wellen vor sich her und pustet den Kopf frei. Endlich kommt auch meine Seele hier an.
Bei der Fahrt auf der Lewis-Pass-Straße kommen wir zum ersten Mal mit den berühmt berüchtigten Extremsportarten Neuseelands in Kontakt. Große Plakate für Bungee-Jumping und anderen Nervenkitzel leuchten uns an einer einspurig zu befahrenden Brücke entgegen. Wir belassen es beim Blick auf die schöne Landschaft.
Echt fies: Angriff aus dem Hinterhalt
Auf dem Campground in Hamnersprings erleben wir dann eine Herausforderung der besonderen Art: Sandfliegen stürzen sich auf uns, hocherfreut über das frische Blut aus Europa. Wir mummeln uns ein trotz Sonnenschein. Flipflops aus, Schuhe mit Socken an. Antibrumm auf die Haut, was den Biestern nur ein müdes Lächeln entlockt plus Räucherstäbchen aus Bali auf den Tisch, wo ihnen das Lachen vergeht. Um ihnen zu entkommen, gehen wir superfrüh schlafen. Natürlich lauern diese Monster vor der Tür. Sie wissen, das wir da sind und irgendwann wieder herauskommen. So wird das Frühstück im Freien von Tausenden von Stechmücken begleitet. Da ich seit 4 Uhr wach bin und entsprechend müde, verbessert sich meine Laune nicht gerade. Nur die Enkelin scheint irgendwelche Abwehrkräfte gegen diese blutrünstigen schwarzen Ungeheuer zu besitzen. Interessant.
Sandflys, winzig große Monster
Kurze Zwischenbilanz: Neuseeland und ich sind noch Lichtjahre von einem freundlichen Miteinander entfernt. Obwohl wir uns kalendarisch im Hochsommer befinden, ist es empfindlich kühl. (Hilfe, ich habe die falschen Sachen eingepackt, aber auch die Kreditkarte dabei.) Dann diese sandfly-Plage, die mir den Aufenthalt im Freien gründlich vermiest. Die Stiche jucken extrem und wehe, man kratzt sich, dann gibt es Entzündungen und es ist gar nicht mehr auszuhalten. Zu einer Wohnmobilfreundin bin ich ebenfalls noch nicht geworden, es ist alles zu eng und mega umständlich. Ok, kann noch kommen, wir sind ja erst 3 Tage unterwegs. Kurz, es ist nervig und ätzend. Auf was habe ich mich da eingelassen, und das Ganze dauert noch endlose 4 1/2 Wochen. Ja, ich weiß, Wohnmobil stand auf meiner Löffelliste. So ist das eben mit Vorstellung und Realität. Daneben gegriffen, nun muss ich da durch.
Willkommen auf dem Broadway
Die Straße windet sich durch eine alpenähnliche Landschaft. Wir halten in Reefton, einem pittoresken Städtchen, wo anscheinend die Zeit stehen geblieben ist. Wir flanieren auf dem Broadway und bestaunen die Holz- und Wellblechhäuser.
Anscheinend befinden wir uns mitten in einer Kulisse für einen Westernfilm, doch alles ist echt. In einem Café genießen wir den leckersten Karamellkuchen aller Zeiten: zuckersüß, klebrig und zum niederknien gut. Suchtpotential. Beim Preis gehen wir ebenfalls in die Knie. Gerade aus dem Lebensmittel verramschenden Deutschland gekommen, sind wir noch nicht an „angemessene“ Preise für ein Produkt gewöhnt. Doch hier werden wir daran erinnert, wieviel Arbeit und Mühe es macht, bis ein Lebensmittel auf meinem Tisch landet.
Wir wandern entlang des Flusses Inangahua, dessen Steine in der Sonne funkeln und erfahren anhand der Bildtafeln, dass Reefton nicht nur Bergbau- und Goldstadt, sondern auch die Stadt des Lichts war. 1888 war sie der erste Ort der Südinsel mit Stromversorgung. Die Beleuchtung durch 21 Straßenlaternen an Weihnachten sorgte damals für einen Besucheransturm. Alle wollten mit eigenen Augen diese Sensation sehen.
Willkommen in der reinen Natur
Etwas vor Greymouth entdeckt Thomas einen kleinen natürlichen Campground. Entzückend und idyllisch am rostrot und golden schimmernden Fluss liegt „Nelson Recreation Ressort“. Hier bleiben wir. Die Enkelin vergnügt sich im kühlen Nass und auf dem fantastischen Spielplatz, die Männer im örtlichen Pub mit den Einheimischen, und wir Frauen? Kochen, wie es sich gehört.
Es gibt keine Duschen, keinen Strom, nur pure Natur und, na klar, Sandfliegen. Wir versuchen, ihr Dasein stoisch wie die hiesige Bevölkerung zu ertragen. Der Versuch missglückt. Wir verziehen uns wieder ins Wohnmobil. Am nächsten Tag frühstücken wir wie immer umschwirrt von den allgegenwärtigen Mücken. Nach der Erkundung der Gegend machen wir uns wieder auf den Weg.
Erkenntnis: Neuseeland könnte schön sein, wenn? Ja, wenn es diese Biester nicht gäbe und als Folge dessen, sich nicht ständig 5 Personen auf engstem Raum im Wohnmobil verkriechen müssten, was wiederum auf einen Gruppenkoller hinauslaufen könnte.
Kiwis, Jade und jede Menge Glühwürmchen
Auf der Fahrt nach Hokitika wechselt der Charakter der Landschaft. Es wird grün und grüner. Regenwald begrenzt zu beiden Seiten die Straße. Großen Spaß haben sowohl Enkelin als auch Erwachsene im „National Kiwi-Center“ in der Ortsmitte, welches uns die Tierwelt Neuseelands näher bringt. Das Kind darf 100 Jahre alte Aale füttern und versucht sich danach im Krabbenfang. An einem Stock mit Seil wird ein Stückchen Fleisch gebunden, der Krabbe vor die Nase gehalten und, falls die nicht schon satt ist, schnappt sie danach. Dann zieht sie das Tier vorsichtig heraus, bewundert es und wirft es zurück ins Wasser.
Wir müssen ganz leise sein, damit er nicht erschrickt, der Kiwi, dieser große, flugunfähige, nachtaktive Nationalvogel. Nach ihm wird fast alles benannt: die Bewohner, die Früchte, die Züge, die Buslinie oder die Lebenseinstellung.
Nach dem Gang durch die „Glühwürmchenhöhle“ und dem Kauf von Manukasalbe gegen sandfly-Stiche, wird meiner Enkelin eine Urkunde über den erfolgreichen Krabbenfang überreicht. Mit stolzgeschwellter Brust betritt sie anschließend eine der vielen Jadewerkstätten, um dort den Schleifern bei ihrer komplizierten Arbeit zuzusehen.
Auf dem Weg zum Strand kaufen wir in einem Take away für 20 NZL$ eine Riesenportion Fish & Chips, äußerst fettig und traditionell verpackt in Zeitungspapier. Mit Blick auf das strahlend blaue Meer und die strahlend blauen Blüten an der Uferpromenade verspeisen wir unsere üppige Mahlzeit unbehelligt von lästigen Sandflys. Umwerfend gut. Urlaubsfreude stellt sich ein.
Die allseits gepriesene Großartigkeit Neuseeland hat sich mir noch nicht gezeigt. Vielleicht ändert sich das und wenn, dann hoffentlich bald. Immerhin bin ich um die halbe Welt geflogen, um hier zu sein, da möchte ich auch belohnt werden. Doch die nächsten Herausforderungen warten bereits. Davon erzähle ich im Teil 3. Bis dahin
Lass uns zusammen Leben – Lieben – Lachen
fremde Länder bereisen und bunte Sachen machen
Deine Elvira
Hier geht es zum 1. Teil über eine Anreise mit Hindernissen und die Ankunft in einer vom Erdbeben zerstörten Stadt
Klick hier zu Teil 3: Naturschutz, mysteriöse Steinkugeln und eine Wahnsinnswunderweltstadt
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