Falsche Stärke - gibt es die überhaupt?

Von echter und falscher Stärke

Da steht sie, sich ihrer Kraft und Stärke bewusst. Sie hat viel Zeit in den Aufbau ihrer körperlichen und mentalen Stärke investiert. Sie lässt ihre Muskeln spielen, dreht und wendet sich, die Bodybuilderin. Dann gibt es ein Kind mit roten Haaren und Sommersprossen im Gesicht. Sie ist „echt“ stark und macht sich die Welt wie es ihr gefällt, Pippi Langstrumpf.

Rabenmutter, Emanze oder Mannweib

Nach wie vor ist die Verbindung „Stärke und Frau“ oft negativ besetzt. Eine Frau, die stark ist, wurde früher als Emanze beschimpft (ist das eigentlich immer noch so?). Selbstverständlich wirkt sie nach außen eiskalt, ist herzlos und arrogant. Bekleidet sie eine Position in einer „typischen Männerdomäne“ wird sie abwertend als „Mannweib“ tituliert.

Ganz schrecklich ist die Kombination Kinder haben und arbeiten gehen. Schräge Blicke und Getuschel sind dieser karrieregeilen Rabenmutter gewiss. Bleibt sie dagegen zuhause bei den lieben Kleinen, während der Gatte die Erfolgsleiter hinaufklettert, wird sie mit Lob überschüttet, denn hinter jedem erfolgreichen Mann steht selbstverständlich eine starke Frau. Aber eben nur dahinter. Nach wie vor sind starke Frauen in der Gesellschaft nicht gern gesehen, so mein Eindruck, doch vielleicht täuscht der.

Wahre Stärke kommt von außen

Sie verunsichern Männer und sind deshalb Single, weil der richtige Mann für sie noch nicht gebacken wurde, die starken Frauen. Sie sind stets perfekt, geben immer 100%, können alles alleine und schaffen ihre Aufgaben mit links. Sie scheren sich einen Dreck um die Meinung anderer, geben nie auf, sind fokussiert, zielorientiert und multi-taskingfähig. Sie wirken stets wie aus dem Ei gepellt und stellen ein strahlendes Lächeln zur Schau, diese bewunderten Powerfrauen. Hat man schon mal was von Powermännern gehört, von Muskeln mal abgesehen?

Das sind die für alle sichtbaren äußeren Attribute von Stärke, doch echt ist das noch lange nicht.

Falsche Stärke ist anerzogen

Mit dem ersten Löffel Brei erhalten Kinder den Glaubenssatz gefüttert: „Jetzt iss mal brav, damit du groß und stark wirst.“ Später hört man: „Du musst stark sein, damit du gut durch’s Leben kommst.“ Noch schlimmer ist nur: „Starke Mädchen weinen nicht!“ Da taucht bei mir sofort die Frage auf: Was macht es mit einem Menschen, der diese Sätze hört. Wie ist es, ständig Stärke beweisen zu müssen?

Es ist eine von außen aufgedrückte Stärke und die Gefahr ist groß, dass man immer neue Lasten aufgebürdet bekommt bis man unter dem Gewicht zusammenbricht. Ständig stark sein, und es aller Welt beweisen zu müssen ist der Gesundheit nicht förderlich. Die Statistiken können ein Lied davon singen: Kopfschmerz und Migräne, Rückenleiden, Hörsturz oder Tinnitus, Burn out sowie Depressionen sind auf dem Vormarsch und gelten bereits als neue Volkskrankheiten.

Das ist falsche Stärke, echte sieht ganz anders aus.

Echte Stärken sind Meister des Versteckspiels

Manche Stärken sind schon das ganze Leben da, aber tief im deinem Inneren verborgen. Sie gehören zu deiner Natur, sind unverrückbar mit dir verbunden und Teil deiner Persönlichkeit. Oft nimmst du sie gar nicht wahr, sie sind für dich nichts Besonderes, doch wenn es eine Situation erfordert, zaubert du sie aus dem Hut und wächst über dich hinaus.

Echte Stärken braucht man, um Krisen zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen. Optimismus ist eine davon, doch auch Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Flexibilität bei Veränderungen, das Wissen um die eigenen Talente oder der Glaube an eine Zukunft gehören in diese Riege.

Achtung: Echte Stärken verstecken sich gern hinter Schwächen. Dann musst du sie mit solchen Fragen herauskitzeln: „Was habe ich als Kind gerne getan? Was kannst ich besonders gut? Was macht mir Spaß? Bei welcher Tätigkeit vergesse ich Zeit und Raum? Was fällt mir spielend leicht.“

Kann man stark sein lernen?

Ja, doch es ist nicht ganz einfach. Es ist Arbeit an sich selbst, verbunden mit hohen Ansprüchen an Zeit, Ausdauer, Durchhaltevermögen und Geduld. Es ist ein langfristiges Projekt mit dir im Mittelpunkt, gespickt mit Herausforderungen wie Selbsterkenntnis, Lernen, Veränderung und Wachstum. Am Schluss stehen neue Stärken, die durch Lebenserfahrung geprägt wurden, sich an deinen Werten orientieren und nun Bestandteil deines Wesens sind.

Von falscher und echter Stärke
Falsche Stärke – noch nie gehört!

Alte Stärke wird neue Stärke

Manchmal hat man einen ganz falschen Eindruck davon, was eine Stärke ist. Mal ein Beispiel aus meinem Leben: Ich fühlte mich immer ganz stark, weil ich alles alleine schaffte. Klappte auch bis auf kleine Zusammenbrüche. Na und. Was mich nicht umbringt, macht mich nur härter. Weiter geht’s – bis es nicht mehr ging. Seit Jahren lerne ich nun sehr mühsam, Hilfe anzunehmen, aber bisher nur, wenn sie mir aufgedrängt wird. Selbst um Hilfe bitten, fällt mir nach wie vor schwer, doch es wird immer besser.

Mit der Zeit wuchs eine neue Stärke in mir, das Vertrauen zu anderen Menschen. Das Schöne ist, dass sie noch andere im Schlepptau hatte: Loslassen, mich selbst nicht so wichtig nehmen, Gelassenheit, Geduld und Zufriedenheit. Es hat sich also gelohnt.

Auf der Suche nach meinen Stärken

Jeder Mensch besitzt andere Stärken. Das ist gut so. Ich habe mal ein wenig Innenschau gehalten, mich nach meinen Stärken umgesehen und bin tatsächlich fündig geworden.

Stärken, die mich mein Leben lang begleiteten:

  • Das Vertrauen oder der Glaube daran, dass jeder Mensch erst einmal gut ist.
    Auch wenn ich schon ein paarmal damit auf die Nase gefallen bin, hat sich daran nichts geändert.
  • So abgedroschen es klingt, im negativen das positive sehen, diesen winzigen Funken Licht, der aus der Dunkelheit aufleuchtet, dieses Glück im Unglück
  • Auch im größten Stress noch klar denken und reagieren zu können, anders gesagt, die Nerven nicht zu verlieren und handlungsfähig bleiben.
  • Neugier auf alles und daraus das Bedürfnis zu lernen. (Böse Menschen bezeichnen das als sprunghaft, spontan oder von einer Sache zur nächsten gehüpft, diese Ahnungslosen.)
  • Mit mir allein sein können ohne mich einsam zu fühlen.
  • Optimistisch in die Zukunft blicken und der Glaube daran, dass am Ende alles gut wird.

Diese Stärken habe ich mir antrainiert:

  • Dankbarkeit – damit starte ich bereits in den Tag
  • Gefühle zulassen und zu zeigen
  • Lachen, auch über mich selbst
  • Loslassen von Dingen (einfach), von Gedanken (Morgenseiten und Spaziergänge helfen) und Menschen (ein schmerzhafter Prozess)

Daran arbeite ich noch:

  • Auf Menschen zugehen und mich nach außen öffnen

Sicher sind mir alle meine Stärken nicht bewusst, da sollte ich bei Familie und Freunden mal herumfragen. Wie ist es bei dir? Welches sind deine Stärken. Was kannst du besonders gut? Magst du mir dazu einen Kommentar schreiben. Das wäre großartig.

Leseempfehlung:
Innere Stärke und Resilienz bei Frau Sabiene. Sie hat mich zu diesem Artikel inspiriert. Danke.

Was ist echte Stärke für dich? hat Sunnybee vom Mutter-und-Sohn-Blog gefragt

Lass uns zusammen Leben – Lieben – Lachen
stark, aber auch schwach sein
und bunte Sachen machen

Deine Elvira

3 Kommentare, sei der nächste!

  1. Liebe Elvira,

    ich habe eben noch einmal deinen Artikel gelesen und er gefällt mir sehr! Vor einigen Wochen habe ich ja mit meiner Blogparade die Frage „Was ist echte Stärke für dich?“ in den Raum gestellt und es freut mich sehr, dass mein Text und meine Frage bis heute zu so vielen, ganz individuellen und persönlichen, Antworten anregt!

    Ich wurde selbst von außen schon häufig als „stark“ bezeichnet, das deckte sich jedoch lange nicht mit meinem Selbstbild. Interessanterweise bin ich gerade dabei, in vielen Bereichen echte Gelassenheit zu erlangen, indem ich – wie du – meine Gedanken und Gefühle wahrzunehmen und Schwäche(n) – bei mir und bei anderen – anzunehmen beginne.

    Ein wenig wie ein Bambusstab im Wind bemühe ich mich, mich mit dem „Wind des Lebens“ mitzubewegen und mich gegen die Dinge, die mir widerfahren nicht zu stemmen; Gefühle wie Freude, die dabei in mir aufkommt, aber auch Trauer, Wut oder Überforderung, anzunehmen, ohne in ihnen „stecken“ zu bleiben.

    Ich merke, dass mich das in tiefer Weise gelassen macht – und dass ich dabei doch „berührbar“ bleibe. Ein sehr schönes, ruhiges Gefühl im Trubel des Lebens!

    Und dann ist letztlich auch egal, ob das von außen „stark“ oder „schwach“ wirkt.

    Herzliche Grüße und vielleicht auf weiteren Austausch?

    Sarah (auf meinem Blog https://mutter-und-sohn.blog „Sunnybee“)

  2. Danke , liebe Elvira.

    Dein Artikel über die innere Stärke. .über echte und falsche Stärke kommt wie gerufen.

    Ich habe mir selbst auf unbestimmte Zeit, Abstand von meinem Freund verordnet, weil ich nur noch am Beziehung
    analysieren, Probleme lösen war.Dabei habe ich mich selbst verloren.Fühle mich ausgebrannt und leer.
    Nun bin ich auf der Suche nach meinen Bedürfnissen. ..Stärken.

    Zu lernen , dass ich in der Beziehung bleiben kann, auch wenn ich mich im außen um meine geistig- seel.-kreativen Bedürfnisse kümmere, die mir mein Partner nicht erfüllen kann, ist neu für mich.Eine neue Erfahrung, die zur Stärke wird.
    Ich musste mich entscheiden, ob ich weiter diese Defizite im Austausch erleide, oder ob ich erst einmal loslasse, um dann mit eigener Stärke angefüllt, wieder auf ihn zuzugehe.
    Ich konnte dies früher nicht vereinbaren. Ich dachte der Partner ist für meine Bedürfnis- Erfüllung da…das ging nie gut und endete immer in Trennung en.
    Nun bleibe ich , finde für mich heraus, was meine Stärken sind.
    Komme in meine Balance und lerne bei mir zu bleiben ( und)in einer Beziehung.
    Sei lieb gegrüßt von Adrian

  3. Ich denke – und dies kommt in Deinem Blog etwas zu kurz- Stärke beweist, wer zuhören kann.
    Aber auch derjenige, der seine Gesprächspartner aushält wird belohnt, wenn es ihm gelingt, eine ruhige Antwort(oder Beitrag) zu formulieren.
    Ich denke aber auch, alle Männer und Frauen haben jeweils auf ihrem Gebiet – in ihren Genen – Stärken und Schwächen. Wichtig ist, dass man diese toleriert . Man gewöhnt sich daran.
    Schlimm ist es, wenn man versucht, Frauen eine Stärke zu suggerieren, nur weil eine Quote stimmen muss.
    Vielmehr muß man die Stärke eines j e d e n Menschen erkennen und ihn in seiner Weiterentwicklung begleiten.
    Liebe Elvira – wenn auch unvollständig – ist meine S c h w ä c h e -aber es kommen mir beim Lesen eben auch ein paar Gedanken

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