Nie, niemals, nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir vorstellen können, jemals dort zu landen – auf der anderen Seite der Welt, genau genommen in Neuseeland. Es stand nicht auf meiner Löffelliste und meine Sehnsucht oder das Fernweh zog mich auch nicht dorthin. Trotzdem stehe ich jetzt hier in Christchurch. Ich muss geistig umnachtet gewesen sein, als ich mich darauf einließ.
Warum bin ich überhaupt in Neuseeland?
Das ist ganz einfach, weil mein Mund wieder mal schneller als mein Hirn war. Doch der Reihe nach. Die Tochter plante mit Partner und meinem Enkelkind eine Weltreise. 7 Monate lang wollten sie unterwegs sein und schwärmte mir täglich vor, in welche exotischen Länder die Reise gehen sollte. So ganz nebenbei erwähnte sie: „Im Januar sind wir in Thailand. Das ist doch euer Urlaubsmonat, dann könnt ihr uns ja dort besuchen.“ Und was geschieht? Die Synapsen in meinem Hirn veranstalten ein Feuerwerk. Meine Augen werden riesengroß, ein breites Grinsen erscheint im Gesicht und unüberlegt quillt die hirnrissige Antwort aus meinem Mund: „Oh, jaaaaa, in asiatischen Ländern war ich noch nie. Wir (mein Partner Thomas und ich) kommen!“ Der Gute wußte zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dieser ungeplanten Reise, war aber nach Bekanntwerden nicht abgeneigt.
Ein Überfallkommando
Wochenlang lasen wir Thailand-Reiseführer und die Vorfreude stieg bis . . ., bis die junge Familie ihre Pläne änderte. Der Reisebeginn wurde von April auf Oktober verschoben mit der Folge, dass nun im Januar nicht mehr Thailand sondern Neuseeland auf dem Plan stand. „Macht doch nichts, Mama, dann kommt ihr eben nach Neuseeland“, sprach das Töchterlein liebevoll und ergänzte, „Dein Enkelkind würde sich soooo freuen.“ Also, das ist ja wohl eine ganze andere Nummer. Obwohl? In diesem Moment schickte mein Rumpelstilzchen ein Überfallkommando los. „Hmmm, na ja, wenn ich es bedenke, tja . . . eigentlich, . . ., nun so richtig spricht nichts dagegen. (2 Minuten tief ein- und ausatmen) Gut, wir besuchen euch dort.“
Damit beginnt unser Abenteuer: 5 Personen aus 3 Generationen bereisen fast 6 Wochen lang Neuseeland in einem Wohnmobil.
Fliege mit Emirates und du kannst was erleben, wenn es auch nicht das ist, was du willst
Vor dem Urlaub steht die Anreise. Die ist lang, bis nach Neuseeland unendlich lang und mit „Emirates“ sogar ewig lang. Der Auftrag war: Liebe Fluggesellschaft, bring uns unverzüglich, ohne Zwischenaufenthalt nach Auckland (und später wieder zurück). Die harten Fakten: Der einzige Flieger, immerhin ein Airbus 380, der in Frankfurt mit enormer Verspätung startete, war der unsrige. Damit setzte sich eine Kettenreaktion in Gang. Wir verpassten den Anschlussflug und saßen auf dem supermodernen Airport Dubai fest. Eine freundliche Mitarbeiterin erwartete die Gestrandeten mit der Nachricht: „Alles ist geregelt, ihr Flug umgebucht und nach einer selbstverständlich kostenlosen Übernachtung fliegen sie morgen früh weiter.“ Äh? Das ist doch nicht unverzüglich ohne Zwischenaufenthalt. Damit war klar, dass unser Anschlussflug Auckland – Christchurch ins Wasser fällt. Wer zahlt das? Betretene Gesichter. Schulterzucken. An diesem Punkt fühlte sich niemand mehr zuständig.
Die „Übernachtung“ dauerte von 3.15 Uhr bis 6.30 Uhr. Dann wurden alle Passagiere mit einem Bus wieder zum Flugplatz gekarrt und auf verschiedene Flieger verteilt. Das klappte problemlos. Darin sind sie wohl geübt.
A 380 – ein gigantisches Wunderwerk und wir wunderten uns mit
Gemütlich auf unseren Plätzen eingerichtet, warteten wir auf die liebste Beschäftigung eines Fluggastes, das Essen. Nun, bis das Frühstück in einem Airbus 380 in all seiner Plastikpracht verteilt war, dachten wir schon ans Mittagessen. Ja, da geht es voran. Dem Verdursten entkam ich nur knapp, weil ich zum Glück zufällig den Trinkbehälter zur Selbstbedienung entdeckte. Mit den weiteren Mahlzeiten will ich mich nicht mehr befassen. Emirates? Vergiss es. A 380? Start und Landung weich und sanft. In der Luft liegt die Maschine wie ein Brett auf ihrer Flugroute, doch anscheinend ist sie viel zu riesig, um die Masse an Passagieren organisatorisch bewältigen zu können. Kurz: brauche ich beides nicht mehr. (Oh Schreck, wir müssen damit noch zurück fliegen).
Nach langer Odyssee erreichen wir Auckland statt Freitag am Samstag um 14.00 Uhr und haben Glück. Air New Zealand fliegt um 17.00 Uhr nach Christchurch und wir bekommen noch 2 Plätze für schlappe 570 NZL$ (= 330 €) Freundschaftspreis. 48 Stunden später sind wir endlich am Ziel. Willkommen in Christchurch, Neuseeland.
Rot und rot ist ein Unterschied
Sofort finden wir den „red bus“. Später stellt sich heraus, dass wir im falschen Bus sitzen. Mit „red bus“ war die Außenfarbe des Busses gemeint und nicht die „rote Linie“. Nun, so hatten wir gleich eine Stadtrundfahrt für 8 $/Person. Die äußerst freundliche Busfahrerin organisiert noch unsere Weiterfahrt mit dem blauen Bus. Wir zahlen 3,75 $/Person Lehrgeld und ab geht es zum Hotel. Unter lautem Gejohle, Herumhüpfen und Freudentränen schließe ich meine Enkelin in die Arme.
Nachdem wir „ausgeschlafen“ und gefrühstückt haben, machen wir einen Rundgang durch Christchurch. Wir wollen es locker angehen, denn der lange Flug und die Zeitverschiebung von 12 Stunden machen sich bemerkbar.
Ein Stadtrundgang durch Christchurch zwischen Zerstörung und Wiederaufbau
Zuerst bewundern wir den wunderschönen botanischen Garten mit seinen mächtigen alten Bäumen und zauberhaften Blumenrabatten. Ein Stück weiter gibt es ein kostenloses Sonntag-Nachmittag-Konzert. Viele Besucher sind mit ihren Klappstühlen gekommen und machen es sich dort beim Picknick gemütlich trotz kühler Temperatur von 14°C. Wir bummeln am Avon entlang und sehen den Gondolieren zu, die ihre Boote durch den Fluss staken, doch die Idylle trügt.
An der Bridge of Remembrence werden uns die Zerstörungen des verheerenden Erdbebens im Februar 2011, bei dem Schäden in Milliardenhöhe entstanden und 185 Menschen starben, vor Augen geführt. Das Epizentrum des Bebens befand sich genau in der Innenstadt mit ihren zahlreichen Hotels, Geschäften und markanten Häusern. Bilder lassen erahnen, wie schön Christchurch war, bevor alles innerhalb von Sekunden in Trümmern lag. Inzwischen sind Gebäude abgerissen, Trümmer weggeschafft und das Ganze ist eine riesige Baustelle. Es wimmelt von Absperrungen, Kränen und Gerüsten, während verschiedene Interessengemeinschaften um die Frage streiten: „Wollen wir das historische Stadtbild mit seinem Charme und der nostalgischen Anziehungskraft wieder herstellen, ein neues modernes Christchurch erschaffen oder wäre eine Mischung aus beiden eine gangbare Alternative?“
Doch die Menschen lassen sich nicht unterkriegen. Re:Start lautet ihr Credo und unter diesem Motto blühen die kreativen Ideen. Re:Start steht auch auf den Containern, in denen übergangsweise Geschäfte und Gaststätten untergebracht sind, in denen der Neuanfang beginnt. Aber auch in Kellern oder in Resten alter Gebäude siedeln sich kleine und große Läden an.
Dann stehen wir fassungslos vor den Resten der Kathedrale. Sie ist ein einziger Trümmerhaufen, um die sich als auffallender Gegensatz ein mit Blumen bemalter Zaun rankt. Er bringt Farbe und Fröhlichkeit inmitten von Zerstörung und Mahnmalen, die an die Toten erinnern. Wir sind berührt von der Stimmung, die hier irgendwo zwischen Aufbruch, Trotz, Freude, Trauer und Erinnerung angesiedelt ist.
Bei unserem Aufenthalt war der Streit noch nicht entschieden, ob und wenn ja, in welchem Stil dieses imposante Gebäude wieder aufgebaut werden soll. Inzwischen haben sich die zuständigen Stellen für den Neubau nach alten Plänen entschieden.
Wir schlendern weiter durch die bereits wieder hergestellte New Regent Street mit ihren bunten Häuserfassaden. Während wir uns die leckersten Cookies der Welt von Mrs. Higgins einverleiben, zuckelt die alte Stadttram an uns vorbei. Ihre Gleise wurden als erstes in Stand gesetzt und seit 2013 dreht sie erneut ihre Runden durch die Innenstadt. Sie demonstriert Beständigkeit in einer, sich durch Naturkatastrophen zwangsläufig verändernden Stadt.
Wie in meiner Löffelliste versprochen, berichte ich dir in lockeren Abständen von unserer Reise nach Neuseeland mit kleinen und großen Katastrophen und wie es ist, auf engstem Raum zusammenzuleben. Abonniere einfach meinen Newsletter, dann verpasst du keine Folge.
Lass uns zusammen Leben – Lieben – Lachen
Löffellisten verwirklichen und bunte Sachen machen
Deine Elvira
Hier kommst du zu Teil 2 der Reise, wo wir aus dem Hinterhalt von blutrünstigen Monstern überfallen werden
Klick hier zum 3. Teil: Naturschutz, mysteriöse Steinkugeln und eine Wahnsinnswunderstadt
Liebe Elvira
in Neuseeland war ich noch nicht. Ich kenne das gut, wenn ich „ja will haben rufe“ und erst nachher draufkomme, daß alles sehr anstrengend werden kann.Übernachtung wird bezahlt nach Verspätung Schlafzeit 2 Stunden. Lach! Mit dem Airbus bin ich schon geflogen allerdings in der Business – aber hallo, das ist was anderes. Über den Aufpreis schweige ich still. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich freue mich schon auf die nächsten Berichte. Lg. Gabi
Aber hallo, ist mit Sicherheit was anderes, doch die Verspätungen blieben für beide gleich.
Liebe Grüße und schöne Sommer-Sonnentage
Elvira
Hallo Elvira,
dein Reisebericht liest sich supergut und ist sehr interessant. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung
Danke, liebe Heike, ich freue mich, dass dir der Bericht gefällt.