Wie sinnvoll ist Tagebuch schreiben?

Ich musste ziemlich alt werden, bevor ich das Tagebuch schreiben für mich entdeckte. Lange hielt ich es für Quatsch und Zeitvergeudung. Was sollte es mir bringen? Den Inhalt wird außer mir niemand lesen. Also wozu das Ganze?

Warum habe ich doch mit dem Tagebuch schreiben angefangen?

Es war ein schleichender Prozess und regelmäßig geschrieben habe ich nie, außer die Tagebücher für meine drei Kinder, beginnend von der Schwangerschaft, über ihre Geburt bis zur Konfirmation mit 14 Jahren. Jetzt klopfe ich mir mal schnell auf die Schulter für diese Ausdauer.

Ergänzt werden diese Aufzeichnungen durch unzählige Fotoalben. Die sind ja auch eine Art Tagebuch schreiben, nur in Bildern. Und ich kann dir sagen, jede einzelne Minute hat sich gelohnt, denn die Kinder haben immer wieder geschaut, wie es war, als sie klein waren und wie war es, als ihre Mama klein war. Jetzt sieht meine Enkelin diese Alben an. Inzwischen sind sie ziemlich ramponiert vom vielen Gebrauch.

Ein Tagebuch schreiben ist fotografieren mit dem Bleistift.
(Unbekannt)

Vielleicht finden meine Urenkel in einer Ecke des Dachbodens mal die verstaubten Tagebücher der Uroma (UrMimi), also von mir und lesen die Geschichten und Gedanken dieser ihnen unbekannten Person, sozusagen familieninterner Geschichtsunterricht. Gerne hätte ich von meiner Mutter (mein Vater starb vor meiner Geburt) solche Aufzeichnungen, um etwas mehr von ihr und meinen Vorfahren zu wissen.

In Afrika, speziell Uganda, unterstützt übrigens das Kinderhilfswerk Plan International aidskranke Mütter beim Aufschreiben ihrer Familiengeschichte. Diese „Memory Books“ werden im Todesfall den Kindern übergeben und sind wertvolle Erinnerungen.

Lebenskrisen sind der ideale Nährboden um Tagebuch zu schreiben

Oft gibt es Probleme und genau dann ist Niemand da, mit dem du sprechen kannst. Tagebuch schreiben ist ein gutes Mittel, um Klarheit zu schaffen. Beim Schreiben fließen Lösungen vom Kopf in die Hand und dann auf das Papier. Stück für Stück werden sie aus dem Inneren nach draußen befördert. Schreiben erleichtert ungemein.

Wenn das Leben ins Stocken gerät, die ganze Welt zusammenbricht, Verdrängtes deine Seele und deinen Körper belastet, hilft dir ein Tagebuch beim Loslassen. Schreiben tut dann erst einmal weh. Aus Jammern und Klagen, Trauer und Tränen entsteht ein Fluss, der sich auf die Seiten deines Tagebuchs ergießt. Du nimmst deine Gefühle und deinen Kummer wahr und schreibst sie dir, Zeile für Zeile von der Seele. Mein Trauer-Tagebuch berichtet von dieser Krisenbewältigung und war in den dunkelsten Tagen meines Lebens mein ständiger treuer Begleiter.

Glückliche Menschen schreiben kein Tagebuch
(Dr. Joseph Vital Kopp, 1906 – 1966)

Das ist gut möglich, doch mir hat es geholfen, den Schmerz zu lindern und die Traurigkeit zu überwinden. Es begleitet mich immer noch, doch inzwischen sind es glückliche lebensbejahende Einträge. Tagebuch schreiben heilt, so finde ich, auch wenn die Experten darüber zweigeteilter Meinung sind.

Kritzeln, krakeln und skizzieren im Reisetagebuch

Keine Reise, und sei sie noch so kurz, findet bei mir ohne ein Reisetagebuch statt. Probiere es doch mal als Einstiegsmöglichkeit aus. Es ist bereichernd, abends noch einmal den Tag zu reflektieren. Was hat dir gefallen, was nicht so gut. Für welche Eindrücke bist du dankbar. Was hast du gefühlt, was gerochen oder gehört. Mit wem warst du unterwegs. Welche Gespräche wurden geführt. Wunderschöne Momente und böse Überraschungen stehen da aufgeschrieben, Zeichnungen oder eingeklebte Schnipsel sorgen für zusätzliche Erinnerungsmomente.

Das Beste und Schönste einer Reise wird daheim erlebt:
teils vorher, teils nachher.

(Sigmund Graff)

Wenn der Wirrwarr im Kopf undurchdringlich wird hilft Tagebuch schreiben

Eine Zeit lang, als ich nicht mehr in der Lage war, mein Gedankenkarussell zu stoppen und es mich nachts nicht schlafen ließ, habe ich begonnen, Morgenseiten zu schreiben. Wie das genau geht, steht in dem Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron. Eigentlich sind sie gedacht, um verloren gegangene Kreativität neu zu entdecken, doch auch die Turbulenzen im Kopf lassen sich damit gut ordnen. Das funktioniert ganz einfach: Morgens gleich nach dem Aufwachen aufstehen, einen Block schnappen und 3 Blätter vollschreiben. Unreflektiert, ohne Nachdenken, egal was, nur schreiben und danach wegpacken. Jeden Morgen.

Mein Tagebuch soll sein wie eine Reisetasche, in die ich ungeprüft allen Krimskrams hineinwerfe. Wenn ich später nachsehe, ist das Durcheinander wie von Geisterhand geordnet.
(Adeline Virginia Woolf)

Ich habe das eine ganze Zeit lang getan und siehe da, mein Schlaf wurde tief und fest. Schreiben schafft Ordnung. Wenn sich ein Thema herauskristallisierte, habe ich den Seiten Überschriften gegeben und manchmal wurde daraus ein Blogartikel. Ja und irgendwann, als alles wieder im Lot war, schlief dieses schöne Ritual langsam aber sicher ein.

Und dann kam sie: Die Tagebuch-Challenge von Anne-Kerstin Busch

Ich glaube ja fest daran, dass alles, was ich brauche genau zum richtigen Zeitpunkt zu mir kommt. Bingo, hat geklappt. Wie aus dem Nichts erschien die 21 Tage dauernde Tagebuch-Challenge von Anne-Kerstin Busch, zu der ich mich sofort angemeldet habe, um wieder in den Schreibfluss zu kommen. Ist der Anfang erst einmal getan, läuft es hinterher fast von alleine.

Jetzt wußte ich auch, warum ich mir die schönen Notizbücher aus der Edition Forsbach gekauft hatte. Für die Challenge habe ich das Himmelblaue mit dem Steinturm genommen. Ich finde diese Türme ganz faszinierend. Manchmal baue ich auch selbst einen, und jeder Stein verbindet sich mit einem Gedanken.

Und dann ging es auch schon los. Morgens öffnete ich erwartungsvoll mein Email-Postfach, um nachzusehen, welche Anregung heute von Anne-Kerstin kamen. Es gab wundervoll kreative Übungen wie Schreiben innerhalb einer bestimmten Zeit, unzensiert, nur um in Schreiblaune zu kommen. Aus dem Herzen heraus schreiben und deine persönliche Schreibstimme finden, denn so wie du schreibt niemand sonst, hieß die nächste Aufgabe. Eine wundervolle Abwechslung bot der Ausflug in das Reich der Phantasie und Träume. Ich liebe es, beim Schreiben Luftschlösser zu bauen. Was ich weniger mochte, war der Auftrag „Prioritäten setzen“, denn das hat was mit Entschiedenheit zu tun.

Auch meine Lieblings-Zufalls-Übung versteckte sich in dieser Challenge. Die geht so:
Nimm ein Buch, welches dich gerade besonders anspricht, schlage eine Seite auf und lies den Text. Es ist spannend, dem Zufall oder der Eingebung zu folgen. Mein Jahresmotto lege ich nach diesem System fest. Ich stehe also vor meinem Bücherregal, schließe die Augen und erwische das „Stundenbuch eines weltlichen Mönchs“ von Anselm Bilgri. Mein Zeigefinger legt sich auf die Seite 166 mit dem Morgengedanken: Stets versagen die anderen, wertschätzen statt abwerten. Jemanden loben fällt viel schwerer als ihn zu kritisieren.

Und noch ein letztes Beispiel: Geh raus ins Grüne, suche dir einen Kraftort und dann schreibe. Ich gehe zwar oft spazieren, denn dabei habe ich die besten Ideen, doch bin ich noch nie unterwegs gewesen, um zu schreiben. Das könnte eine weitere Lieblingsübung werden (doch nur bei schönem Wetter).

So, genug verraten. Mehr erfährst du an dieser Stelle nicht. Ein großes Danke an dich, liebe Anne-Kerstin für diese 21 Tage, die meine Schreiblust- und Laune enorm gefördert haben. Und wie sehr passte meine Zufalls-Buchstelle zu der Facebook-Gruppe, die du extra zur Challenge eröffnet und hervorragend betreut hast. Es war ein sehr intensiver und besonders wertschätzender Austausch miteinander, dafür bedanke ich mich bei allen Teilnehmern.

Wie ist das bei dir? Schreibst du auch irgendeine Art von Tagebuch? Ich bin sehr gespannt und freue mich über deinen Kommentar.

Lass uns zusammen LEBEN – LIEBEN – LACHEN
und viele kreative einzigartige Sachen machen

Deine Elvira

7 Kommentare, sei der nächste!

  1. Pingback: Die vielen Facetten des Networkings › Durch Schreiben zum Erfolg
  2. Liebe Elvira,
    tolles Thema. Mir helfen Morgenseiten, meine Gedanken zu klären. Besonders sinnlich fand ich die Zeit, in der mich stets mein Skizzenbuch begleitet hat. Darin fanden nicht nur Zeichnungen Platz sondern auch Eintrittskarten, platte Fundstücke aller Art aber auch Zitate und Wortfetzen, die festgehalten werden wollten.
    Jetzt blogge ich und das ist auch eine sehr bereichernde Möglichkeit, Gedanken festzuhalten.
    Alles Liebe
    Birgit

    1. Hallo Birgit,

      ein Skizzenbuch – welch schöne Möglichkeit, Erlebnisse festzuhalten. Ja, Bloggen ist wirklich eine Art Tagebuch zu schreiben, sehr ausführlich und tief gehend.

      Liebe Grüße
      Elvira

  3. Liebe Elvira,

    ich freue mich immer sehr über Deine neuen Beiträge, die mir oft in der Seele gut tun.
    Da ich erst seit ein paar Wochen dabei bin, gibt es für mich noch sehr viel zu entdecken.

    Wenn ich alleine war, (mein Mann war bei der Armee, jetzt in Rente) und ich hatte niemanden zum Reden, habe ich die Woche über abends alles aufeschrieben und es ihm bei seiner Heimkehr zu lesen gegeben. So konnte er am Leben unserer 3 Kleinen auch in den Fehlzeiten teilnehmen. (Telefonieren war ja nur mit Telefonzelle möglich und daher oft problematisch, es gab ja noch keine Handys ode PCs) Leider habe ich die Papiere dann im Anschluss vernichtet.

    Danke für Deine tollen Ideen und guten Gedanken.

    Judith

    1. Liebe Judith,

      danke für Deinen Beitrag. Wie anders das Leben doch seinerzeit war und welche wundervolle Möglichkeit, den in der Ferne lebenden Mann in das Familienleben zu integrieren. Ein Tagebuch mit zwei Funktionen: Kontakt während der Fernbeziehung plus die Entwicklung Deiner 3 Kinder.

      Deine Freude über neue Beiträge streichelt meine Seele und ich wünsche Dir noch eine gute Entdeckungsreise auf dem Blog.

      Ganz liebe Grüße
      Elvira

  4. Ich hatte einmal angefangen- lange ist es her – doch dann habe ich erfahren, dass sich kein Schwein dafür interessiert.
    So habe ich aufgehört und stecke alles was passiert in einen großen Sack mit vielen Löcher. Da fällt dann alles, was nicht so wichtig ist heraus und nur das Wichtigste bleibt drin, und ich greife oft hinein.
    Übrigens lese ich Deine „Tagebücher“ – und davon ist auch noch einiges in dem Sack mit Löchern verblieben.
    Lieb Grüße

    1. Lieber Christian,

      ich freue mich, dass manche Gedanken aus dem Blog die richtige Größe haben, um in Deinem Sack voller Erinnerungen stecken zu bleiben.

      Ganz herzliche Grüße
      Elvira

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