Winterruhe

Warum Niemand die Geduld mag

Zwischen Hast, Eile und Ungeduld auf der einen Seite und Langsamkeit sowie Ruhe  auf der anderen, steht die Geduld. Niemand mag diese Tugend, bedeutet sie doch, auf die Erfüllung seiner Sehnsüchte und Wünsche zu warten oder sogar Schwierigkeiten und Leiden gelassen zu ertragen.

Geduld ist was ganz komisches

Geduld ist altmodisch, nicht mehr en vogue. Wir sind auf Leistung und Produktivität gepolt. Wir haben keine Zeit mehr über unsere Handlungen nachzudenken und weise zu entscheiden. Schneller, immer schneller ist die Devise: heute bestellt, morgen da. Wir rennen, hetzen und eilen an der Arbeit, in unseren Beziehungen, in der Freizeit. Geduldig auf den richtigen Zeitpunkt zu warten, mutet da sehr seltsam an.

Gefangen im Wartezimmer

Geduldig sein heißt langsam werden, anhalten, warten. Wer möchte das schon? Warten quält und ist vertane Zeit, wo nichts passiert, nichts voran geht. Das macht uns nervös und zappelig, treibt unseren Blutdruck in die Höhe, macht krank. Wir warten im Stau, umklammern das Lenkrad und wünschen uns Flügel. Wir warten vor Ampeln und fixieren mit starrem Blick das rote Licht. In der Kassenschlange, in der endlosen Telefonschleife oder beim Arzt, ständig wird von uns erwartet, dass wir geduldig warten. Da reißt hin und wieder der Geduldsfaden.

Wenn Andere uns in die Quere kommen

Wir wartet auf unseren Liebsten oder im Café auf eine Bekannte. Wir erhalten Einladungen und warten ab, ob sich nicht noch was Besseres findet bevor wir zusagen. Dann warten wir auf die Gäste, die zugesagt haben, jedoch nicht erscheinen. Geduldig sein mit seinem Nächsten ist hier gefordert, doch der Ärger wie Andere mit unserer Zeit umgehen, überwiegt.

Geduld ist zuckersüß und zitronensauer

Nehmen wir Kinder. Sie haben überhaupt keine Vorstellung davon, was Geduld und Später bedeutet. Sie wollen alles jetzt und sofort. Sie quengeln, meckern und wenn das nicht hilft, werden Tränen zerdrückt. Spätestens da setzen die Erziehungsmaßnahmen ein. Gleich bist du dran, sprich nicht dazwischen, warte einen Moment, bis morgen, bis nächste Woche. Manchmal wird Geduld und Warten versüßt mit Belohnungen: „Ein bisschen dauert es noch, dann kommt der Osterhase.“ Beim Warten auf das Christkind hilft der Adventskalender. Wird geduldig sein, sich beherrschen können anerzogen?

Ein langes Leben voller Geduld

Von Kindesbeinen an wird uns gelehrt, geduldig zu sein. Sehnsüchtig haben wir darauf gewartet, in die Schule zu kommen. Später dann auf die Pause, die Sommerferien, das Erreichen des 18. Lebensjahres, den Beginn des Studiums. Im Job warten wir auf den Urlaub, auf die Beförderung und als Krönung auf das Rentenalter. Das Leben – eine endlose Warteschleife.

Geduld ist rosarot

Brauchen wir die Geduld und mit ihr das Warten, weil unser Leben sonst langweilig wäre, wenn da nicht irgendwo Träume schlummern. Wäre unser Leben trostlos, wenn uns nicht der Glaube und die Hoffnung auf die Erfüllung von Wünschen und eine rosarote Zukunft begleiten würden? Sind wir deshalb so ungeduldig, weil uns unsere Gedanken ständig vorauseilen, weil wir wissen, dass wir endlich sind?

Quälendes Warten

Sich in Geduld fassen kann quälend sein und die Psyche belasten, wenn wir den Ausgang des Wartens nicht wissen. Man denke hier nur mal ganz aktuell an die vielen Flüchtlinge und deren Asylanträge. Wie lange dauert die Bearbeitung? Wie wird die Entscheidung ausfallen? Nimmt mein Warten ein gutes Ende oder stellt sich am Schluss heraus, dass es vergeblich und sinnlos war? Sie sind Ländern, in denen Krieg und Terror herrscht entkommen und sitzen nun auf der Wartebank. Das zerrt an den Nerven und zermürbt.

Die Weisheit des Alters oder „Schweigen, schlucken, beten“

Geduld scheint im zarten und mittleren Alter ein Fremdwort zu sein, und die Technologie im Millisekundentakt unterstützt das. Und sehen wir mal von dem in ewiger Eile dahinhetzenden Rentner ab, ist wohl Geduld eine Tugend des Alters. Da haben wir viel Lebenserfahrung gesammelt und sind „weise“ geworden.  Teilweise bleibt uns gar nichts anderes übrig, als gelassen zu warten: bis uns Jemand besucht, wenn wir allein sind, sich um uns kümmert, wenn uns Krankheit belastet, uns hilft, wenn vieles nichts mehr so geht wie wir es gerne hätten.

Voller Stolz und Schönheit

Oft ist Geduld Voraussetzung für gutes Gelingen. So habe ich bei meinem Besuch in den Souks von Marrakesch den Handwerkern über die Schulter geschaut. Voller Konzentration werkelt der Schneider an einem Kaftan. Nie käme er auf den Gedanken, die Naht mit der „heißen Nadel“ zu nähen, nur um schneller fertig zu sein. Stolz präsentiert er mir seine Kleidung. Daneben sitzt der Drechsler. Immer wieder begutachtet er sein Holzstück, wischt zärtlich darüber, zeigt mir wie schön das ist, was er geschaffen hat. Die Maler müssen warten bis die Farbe getrocknet ist und können erst dann die zweite Farbe darüber pinseln. Ungeduld wäre hier völlig fehl am Platz. Eile würde das Geschaffene ruinieren.

Meine größte Schwäche ist . . .

„Es ist ein köstlich Ding, geduldig zu sein, . . .“ sagen die Klagelieder in der Bibel. Und der weltberühmte Marshmallow-Test des Psychologen Walter Mischel zeigt, dass Kinder, die warten können und dann als Belohnung zwei Süßigkeiten erhalten statt nur einer, im späteren Leben erfolgreicher sind. In Bewerbungen wird oft angegeben, dass eine der größten Schwächen des Bewerbers die Ungeduld ist. Musst du dich nun damit abfinden oder gibt es Möglichkeiten, sich in Geduld und Warten zu üben?

Fragen sie ihren Arzt oder Apotheker

Ich weiß nicht, was Experten raten, doch ich verrate dir hier meine eigenen kleinen Tricks:

In der Kassenschlange quatsche ich in der Regel die Wartenden vor oder hinter mir an. Wenn dazu niemand bereit ist, muss die Kassiererin daran glauben. Zeitung zu lesen kannst du dir dann oft ersparen, du hast alle Neuigkeiten aus erster Hand.

Von den Asiaten habe ich gelernt, grundsätzlich ein Buch dabei zu haben (Kindle/Handy). Ich habe sie beobachtet und bemerkt, wo immer sie anstehen, lesen sie. Mach das doch auch. Deine grauen Zellen freuen sich darüber und laufen auf Hochtouren. Funktioniert auch spitzenmäßig im Stau oder im Wartezimmer.

Weil es mir schon so manches Bußgeld erspart hat, bin ich nun nachsichtiger mit Superlangsamfahrern. Geduldig bummele ich hinter ihnen her und freue mich, dass ich mehr von der Gegend sehe. Gut, ich gebe zu, manchmal raste ich noch aus. Denk daran, wenn das nächste Mal auf der Landstraße Jemand 60 km/h fährt, sei gelassen und bedanke dich.

Rote Ampeln bieten mir eine willkommene Gelegenheit zu Atemübungen. Ich schaue das schöne rote Licht an, konzentriere mich und atme ein und aus, ein und aus . . . Prima und ganz schnell kommt dann Grün.

Mit dem täglichen Qui gong, eine meiner Perlen der Lebensfreude, finde ich Gelassenheit, spüre Ruhe, bin ganz in diesem Moment.

Ganz bewusst einmal Nichts tun. Schwierig? Ja. Unmöglich? Nein. Erlaube dir einfach mal, nur dazusitzen, vielleicht die Augen schließen, aus dem Fenster schauen. Das entschleunigt und bringt dich auf dem Weg zum geduldig sein weit voran.

Um für die großen Herausforderungen des Lebens gewappnet zu sein, hilft es, dich einmal ganz zurückzuziehen. Reflektiere, was dir in die Quere gekommen ist, wofür dir die Ausdauer fehlte, in welcher Situation du besonders ungeduldig reagiert und welche Sachen du nie zu Ende gebracht hast. Eine Auszeit nur mit dir rückt vieles gerade und lehrt dich, geduldig mit dir selbst zu sein.

Gerade wird deine Geduld wieder auf eine harte Probe gestellt? Mitmachen im Weihnachtstrubel, dich hetzen lassen oder gelassenen auf Weihnachten warten. Wie immer hast du die Wahl und darfst entscheiden.

Verrate mir doch, wo du vor Ungeduld platzen könntest und an welcher Stelle du besonders geduldig bist. Ich freue mich auf deinen Kommentar.

Lass uns zusammen LEBEN – LIEBEN – LACHEN
die Eile unterbrechen, geduldig sein
und im Advent voller Freude weniger machen

Elvira

4 Kommentare, sei der nächste!

  1. Liebe Elvira, ich bin eigentlich ein geduldiger, gelassener Mensch. Ich werde hauptsächlich dann ungeduldig wenn es z. B. beim Arzt oder beim Einkauf nicht der Reihe nach geht und ich deshalb länger warten muß. Ich glaube das hat aber auch was mit Gerechtigkeitsgefühl zu tuen. Außerdem glaub ich, daß man ungeduldiger ist wenn man es eilig hat. Naja das kommt ja bei jedem mal vor. Viele Grüße Leni

  2. Also-was ist Ungeduld: wenn meine Zeitung um fünf Uhr noch nicht im Kasten ist:
    Wen das Kaffeewasser so lange braucht, bis es kocht(dann koche ich)
    Der Bäcker kommt später und die Post läßt auf sich warten
    Der Fernsehfilm- die ewige Reklame- zum Ausrasten!
    Der defekte Computer in der Werkstatt- könnte in einer Stunde fertig sein es dauert 3 Tage
    Der Schoppen Bier – 7 Minuten, dabei gibt es einen „Radauschoppen“
    Die Frau – man sitzt schon 10 Min. im Auto- nichts tut sich!

    Jetzt höre ich auf!!!!!!!!!!!!!!

    1. Lieber Frühfrühaufsteher Christian,

      ich merke, wenn etwas deine gewohnte Routine stört, ist es aus mit der Geduld. Und Frauen brauchen eben etwas länger, setze dich einfach eine Viertelstunde später ins Auto als geplant, dann ist deine Frau schon vor dir da.

      Ganz herzliche Grüße
      Elvira

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