Warum mich ein Waldspaziergang glücklich macht?

Mein Waldspaziergang ist jeden Tag anders, obwohl ich oft die gleiche Strecke gehe. Immer wieder gibt es was zu entdecken, verändert sich die Natur, manchmal unmerklich, weil es der Lauf des Jahres ist, manchmal plötzlich, wenn Menschenhand im Spiel ist. Oft sind es kleine liebenswerte Dinge am Wegesrand, die mich erfreuen. Dann wiederum gibt es Naturschauspiele, die mir den Atem rauben, wo ich nach Hause renne, um das Gesehene schriftlich festzuhalten, um ein Bild mit Wörtern zu malen. Zur Erinnerung, weil es so ergreifend schön war. So wie an diesem Tag.

Ein Waldspaziergang mit mir allein und dann das

Licht, Sonnenlicht und Schatten, Baumschatten. Ich biege um die Kurve und da steht sie, nur 50 m von mir entfernt: eine gewaltige Kathedrale. Gebaut hat sie die Natur aus Sonnenstrahlen und Baumzweigen. Gebannt bleibe ich stehen. Schaue verzückt und beinahe feierlich auf dieses vergängliche Gebilde, eine Momentaufnahme. Mein morgendliches Geschenk während einer Stunde im Wald. Eine Stunde, die ich mir gönne, um meine Gedanken zu klären. Eine Stunde, in der ich oft nur einen Fuß vor den anderen setze, meditatives Gehen. Eine Stunde mit mir selbst.

Ich bin überwältigt von diesem Licht- und Schattenkunstwerk, welches kein Baumeister der Welt besser hinbekommen hätte. Da ist Leichtigkeit und Schwere, Helligkeit und Dunkelheit. Und diese Größe und Höhe, bei der ich mir winzig klein vorkomme. Ich bin froh, dass ich wie immer allein unterwegs bin, auch wenn das bei vielen Mitmenschen Unverständnis hervorruft von wegen: „Es kann ja was passieren und niemand ist da.“ Ja, kann, muss aber nicht. Jetzt habe ich die Freiheit, einfach stehen zu bleiben. Still.

Um zu schauen

Der Stamm einer turmhohen Buche malt seinen schwarzen Schatten quer über den Weg, signalisiert mir: „Eintritt in dieses Naturheiligtum verboten.“ Noch. Bis sich meine Sinne geöffnet haben. Ich stehe und schaue ergriffen auf die Lichtfinger der Sonne, die ständig neue Waldpflanzen beleuchten. Wie ein Scheinwerfer heben sie die Einzigartigkeit der verschiedenen Grüntöne und Silhouetten hervor.

Feuchtigkeit lässt Farnwedel und Huflattichblätter glänzen als seien sie aus Metall. Die feinen Härchen der Brennnessel und die filigranen Gräser schmücken sich mit winzigsten Wasserkristallen. Es ist ein einziges Glitzern und Blinken. Das Laub entledigt sich seiner schweren Last. Von hoch oben fallen Regentropfen herunter. Sie blitzen im Sonnenlicht auf, bevor sie auf die Erde treffen und zerplatzen. Spinnweben hängen über dem Weg, feine zarte Fäden, die im Licht schillern. Welch eine funkelnde Pracht hat die Natur über dieses Stückchen Weg gelegt.

Andächtig schaue ich dem Tanz der Schmetterlinge zu. In ihren prunkvollen farbigen Gewändern gaukeln sie schwerelos von Blüte zu Blüte, nippen mal hier und mal dort am süßen Nektar. Ruhe durchströmt mich. Ich schließe die Augen, konzentriere mich.

Um zu hören

Die Tatsache, dass es im Wald gar nicht so ruhig zugeht wie ich dachte, verwirrt mich zunächst. Es ist laut, richtig laut. Von oben dröhnen die Motoren der Flugzeuge zu mir herunter, je nach Flughöhe mal lauter oder leiser. Es herrscht reger Verkehr in der Luft. Die Spuren am Himmel beweisen, dass sich eine Menge Fluglinien über Nordhessen kreuzen. Dazwischen mischen sich die Geräusche der Autos und Züge, die in der Ferne ihrem Ziel entgegenfahren. Gedämpft wehen sie vom Tal den Berg herauf.

Der Krach der Zivilisation trifft auf den Krach der Natur. Irgendwo trällert ein ganzer Chor Singvögel fröhlich vor sich hin. Darüber scheint Frau Krähe „not amused“ zu sein und macht ihren Unmut mit heiserem Krächzen Platz. Der Specht ist gerade auf der Suche nach Kleingetier für sein Frühstück. Sein emsiges Klopfen hallt laut durch den Wald. Plötzlich tönt ein schriller, durchdringender Schrei an mein Ohr. Ich zucke zusammen und sehe gerade noch den Greifvogel, der geschickt durch das Geäst fliegt.

Der Wind schüttelt die Zweige. Es raschelt im Laub, Äste knarren und Wassertropfen fallen mit lautem Platschen auf den Boden. Hummeln, Fliegen sowie andere Insekten stimmen mit Summen und Brummen in diese Natursinfonie ein. Ich bin beeindruckt von diesem Klangteppich der Töne. Da ist noch etwas. Meine Nase schnuppert.

Um zu riechen

Es liegt ein ganz besonderer Duft in der Luft. Da ist die Frische des frühen Morgens, gemischt aus Feuchtigkeit, grünen Blättern, Wind und Erde. Dazwischen gräbt sich eine Spur Vergänglichkeit. Sie stammt vom Laub, welches vor sich hin modert. Werden und Vergehen, der ewige Kreislauf der Natur. Mit dem nächsten tiefen Atemzug erreicht mich ein würzig herbes Aroma. Vielleicht kommt es von den Brennnesseln, den Disteln oder anderen, mir unbekannten Kräutern am Wegesrand. Ein Hauch von Süße kitzelt meine Nase, ein bisschen wie Vanille gemischt mit Lakritz. Was es wohl sein mag?

Die Sonne ist weitergezogen. Die Lichtkathedrale verändert ihr Aussehen. Der schwarze Schatten des Buchenstamms hat den Weg freigegeben. Seine Zweige haben ein Muster aus Licht und Dunkel vor meine Füße gelegt. Eine einladende Szenerie, ein herzliches Willkommen an mich, eine Aufforderung endlich einzutreten.

Um zu schmecken und zu fühlen

Wie das weiche Moos meine Schritte abfedert. Wie sich spitze Steine in meine Fußsohlen bohren. Wie sich zarte Spinnweben fest um meine Handgelenke wickeln. Wie ein Regentropfen auf meiner Nasenspitze zerplatzt, das kühle Nass weiter zu meinen Lippen rinnt, und ich es kurzerhand aufschlecke. So schmeckt Natur.

Ich spüre den kühlenden Schatten und die wärmende Sonne auf meiner Haut. Hier im Zentrum dieses Wunderwerks der Natur, dort wo sich die einzelnen Sonnenstrahlen bündeln, stehe ich und „schaue“ mit geschlossenen Augen in den Himmel. Ich fühle mich auf wundersame Art geborgen und glücklich. Dankbar nehme ich dieses Geschenk an, weiß um seine Vergänglichkeit und genieße den flüchtigen Augenblick.

Ein Waldspaziergang macht nicht nur glücklich

Jeder Waldspaziergang beschert besondere Momente, mal ganz davon abgesehen, dass er pure Energie spendet, unheimlich entspannend wirkt und die Gesundheit positiv beeinflusst. Alle Sinne werden angesprochen. Ist das Gehirn mal wieder durch eine Fülle von Gedanken verwirrt, klärt sich der Geist in Windeseile. Im Wald kann die Seele auftanken, Stress fällt ab wie Staub, Ängste verflüchtigen sich und so manche bohrende Frage findet eine Antwort. Das fördert Konzentration, Inspiration und Kreativität. Der Tag beginnt voller Schwung und Tatendrang.

Der Wald inspiriert mich anscheinend immer wieder zu begeisterten Artikeln. Ein Klick und du gehst mit mir in den Urwald.

Was machst du, um gut in den Tag zu kommen? Was spricht bei dir alle Sinne an? Bei was tankst du auf und schöpfst neue Kräfte? Ich bin gespannt und freue mich über einen Kommentar von dir.

Lass uns zusammen Leben – Lieben – Lachen
im Wald rumlaufen, glücklich sein und bunte Sachen machen

Elvira

6 Kommentare, sei der nächste!

  1. Hallo Elvira,
    oh ja – ich gehe auch wahnsinnig gerne in die Natur – besonders in den Wald. Meine Gedanken werden geordnet und es tut mir einfach gut. Ich bin gerade aus dem Urlaub zurückgekommen. Wir waren wieder in kanada – in unserem Cottage. Wir haben dort ganz viele Bäume auf unserem Grundstück. Ja – richtigen Wald. Dort kann ich sehr viel Energie schöpfen und es tut mir einfach gut. Überhaupt ist es für mich unheimlich erholsam mich in der freien Natur zu bewegen. Sei es zu Fuss oder mit dem Fahrrad. Ganz egal.
    Irgendwie mache ich es nur viel zu wenig – ABER ich habe mir jetzt nach dem Urlaub viel vorgenommen. Hoffentlich kriege ich das alles hin.
    Liebe Grüße

    1. Guten Morgen Heike,
      ich kann es förmlich spüren, wie gut und erholsam dieser Urlaub für dich war. Sicher reicht die mitgebrachte Energie, um deine Vorhaben umzusetzen. Schritt für Schritt und nicht zu viel auf einmal wird es dir gelingen.

      Und mich überkommt gerade das Fernweh.
      Ganz herzliche Grüße
      Elvira

  2. Liebe Elvira, wenn ich Deinen Bericht lese, dann denke ich an eine Zeit zurück, da ich jeden Tag frühmorgens für 1 Stunde durch den Brunnenpark ging.
    Es ist ein Gefühl, als wenn einem die ganze Natur gehört.
    Im Brunnenteich fischt der Eisvogel, ein Eichhörnchen spielt mit mir Verstecken, man versucht-erfolglos – die Musik verschiedener Vogelarten zu erkennen . Auch eine Waschbärenfamilie hoch oben in einer Buche ist interessant. Im Laub raschelt es – man versucht zu erkunden, was sich da bewegt. Die Enten und Blesshühner ziehen ihre Kreise auf dem Teich und irgendwo meldet sich der Kuckuck.
    So kann ich Deine Sinne nachvollziehen.
    Leider gehören diese morgendlichen Spaziergänge inzwischen – ich weis nicht warum – der Vergangenheit an. Schade !
    Liebe Grüße

    1. Danke für deine Erinnerung, lieber Christian und beim Lesen stelle ich mir gerade vor wie schön diese Morgenstunde war. Warum Vergangenheit. Wenn du deine Frage löst, dann . . .?

      Herzliche Grüße
      Elvira

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