Nein, nein, nein, ich will nicht

Wie oft sagst du Ja und wie selten Nein? Erst wenn gar nichts mehr geht, also kurz vor dem Kollaps, bricht es aus dir heraus: NEIN. Nein, ich will nicht.

Endlich hast du dich getraut, dieses schwierige Wort auszusprechen.  Nein, ich tue das nicht. Nein, ich komme jetzt nicht. Wer immer springt, rennt und macht, legt das Fundament für Überforderung, Genervtsein und Streit. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich sage lieber zweimal Ja als einmal Nein.

Ja – ein Wort wie Grießpudding mit Himbeersoße

Ja sagen fällt uns leicht. Es ist zuckersüß, schön, verlockend und schmeichelt unserem Ego. Wir fühlen uns zunächst einmal sehr wohl damit, werden wir doch gebraucht, erfahren Anerkennung und eine Steigerung unseres Selbstbewusstseins.

Eigentlich wollte ich einen ruhigen Samstag Nachmittag verbringen, nur mit mir allein, meinen Gedanken und Ideen. Die erste Anfrage erscheint auf der Bühne: „Kannst du mir mal helfen, ich will die Blumen an das Rankgitter binden?“ Aber gern, freue ich mich doch später auch über die Blütenpracht. Nach einer Stunde, ich habe schnell hier und da noch Hand angelegt, sinke ich wieder voller Glück in meinen Liegestuhl.

Die zweite Anfrage hat sich bei ihrem Erscheinen in das Gewand der Hilflosigkeit gekleidet. „Mama, ich würde so gerne einen Apfelstrudel backen, weiß aber nicht wie das geht.“
„Kein Problem mein liebes Kind, ich komme und zeige es dir.“ Wie beglückend, den erwachsenen Kindern noch was zeigen zu dürfen. Zwei Stunden später, nachdem ich das Kaffeegeschirr in die Spülmaschine geräumt habe, lehne ich mich voller Vorfreude zurück, um zumindest noch die Abendsonne zu genießen.

„Schätzchen, wie schön wäre es doch, gemeinsam zu kochen“, ertönt da ein Ruf von drinnen. Sofort springe ich auf, stürze mich in die Küche, bereit meinem Liebsten bei dieser wichtigen Tätigkeit zu unterstützen. Was bin ich doch für ein egoistisches Wesen. Mein armer Schatz, vernachlässigt von einem in der Sonne schmorenden Weibsbild, muss sich ganz allein um unser gemeinsames Abendessen kümmern. Asche auf mein Haupt. Und vorbei der Nachmittag mit mir allein.

„Ja“, sagt eine liebevolle Mutter und Mimi und schwebt auf weißen Wattewölkchen dahin

Wenn eines meiner Kinder einen Wunsch hat, Hilfe braucht oder Unterstützung benötigt, lasse ich alles stehen und liegen. Bereitwillig eile ich zur Hilfe. Kopfnicken und Ja-Sagen erfolgt rein reflexartig. Noch schlimmer verhält es sich bei meinen beiden größeren Enkeln, da bringe ich ein Nein überhaupt nicht über die Lippen und werde dafür von der Mutter der Kinder auf’s Heftigste gerügt. (Immer sagst du Ja. Du bist zu weich. Uns hättest du das niemals erlaubt. Du verwöhnst die Beiden, wie soll aus ihnen was Gescheites werden, wenn du sie dermaßen verhätschelst.)

Trotzdem kann meine älteste Enkelin sehr energisch Nein sagen und weiß genau, was sie will. Stolz erklärt sie: „Mimi, ich kann mich durchsetzen. Das musst du auch mal lernen.“
„Mmmh, ich werde es üben,“ verspreche ich ihr und falle kurz darauf dem blond gelockten Dreikäsehoch vor die Füße, der in meiner Bürozimmertür steht und mit einem umwerfenden Augenaufschlag fragt, „Mimi, wollen wir beide ganz kurz was spielen?“
„Ja sicher, natürlich gerne, mein Schatz.“

Morgen, morgen fange ich an, das Nein-Sagen zu lernen. Ganz bestimmt.

Ja – ein Wort wie ein Schreckgespenst

Es kommt wie es kommen muss, die ständige Ja-Sagerei ärgert mich. Darüberhinaus engt sie mich ein und treibt Schindluder mit meiner Belastbarkeit. Wichtiges wird verschoben, Grenzen fallen und Übertritte sind an der Tagesordnung. Ein beklemmendes Gefühl breitet sich aus, ich fühle mich schutzlos. Gedanken rotieren in einer Endlosschleife und suchen nach einer Lösung wie ich aus diesem Horrorfilm wieder herauskomme. Wie bin ich überhaupt hineingekommen?

Dafür gibt es eine Menge Gründe:

– Scheu vor Konflikten
– Harmoniesucht
– Helfersyndrom
– Sehnsucht nach Anerkennung
– Angst vor Ablehnung
– Furcht vor dem Verlassen werden und Einsamkeit
– weil wir geliebt werden wollen
– weil wir so gerne gebraucht werden
– weil man uns schon als Kind gelehrt hat, brav zu sein
– Furcht, eine Chance zu verpassen
– Bequemlichkeit
– aus Pflichtbewusstsein

Ab wann lernen wir Nein sagen?

Noch vor dem Sprechen weiß das Baby, was es will. Schmeckt das Essen nicht, dreht es den Kopf zur Seite und presst die Lippen zusammen. Mit ungefähr 2 Jahren ist es da: Das Kind sagt Nein und zwar zu allem. Die Eltern schwanken zwischen Ratlosigkeit über diese erste? Trotzphase und Stolz, wie gut sich das Kind durchsetzen kann. So klein und schon so selbstbewussst.

Die Fähigkeit, das Wort Nein auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.
Nicolas Chamfort (1741 – 1794)

Später kommt das Nein nicht nur zu Dingen sondern auch zu Personen, dann wenn das Kind noch nicht bereit ist, sich von Mutter oder Vater zu trennen, um alleine im Kindergarten, bei Oma und Opa oder auf Kindergeburtstagen zu bleiben.

Es sagt Nein zu ihm Fremden, Ungewohnten, Anderen. Und das ist gut und sehr wichtig, lernt es doch, dass man auch gegenüber Erwachsenen ein Nein aussprechen darf, um seine Bedürfnisse auszudrücken und Grenzen zu ziehen. Nur mit einem Nein kann es auch die andere Seite der Medaille kennenlernen, das Ja. Es hat die Wahl und schult seinen Willen. In der Pädagogik wird großer Wert darauf gelegt, Kinder im Nein-Sagen zu stärken.

Und ab wann verlernen wir das Nein sagen wieder?

Kinder sagen aus dem Bauchgefühl heraus Ja oder Nein. Es geschieht impulsiv fern jeder Taktik oder Berechnung. Doch die Reaktionen der Eltern und Erwachsenen sind meistens negativ. Die Kinder ernten Tadel, Kritik, Zurückweisung oder sogar Schläge und lernen, dass Nein sagen mit extremen Stress verbunden ist und Nachteile mit sich bringt. Wieviel einfacher und bequemer ist doch ein Ja.

Als Erwachsene geben wir bestimmte Glaubenssätze und Verhaltensweisen an die nächste Generation weiter. Die schwächen das Nein der Kinder weiter und stärken das Ja. Den Rest erledigt das Umfeld, in dem sich der Nachwuchs bewegt. Ein letztes Aufbäumen geschieht in der Pubertät, wo neue Grenzen ausgelotet werden mit mehr oder weniger Erfolg. Spätestens im Beruf wird dem jungen Menschen oftmals klar, dass ein Nein unerwünscht ist. Das Ja hat endgültig die Herrschaft übernommen.

Nein – ein Wort wie ein Abgrund

Ein Nein fühlt sich hart, unfreundlich und abwehrend an. Eine Absage belastet unser Gewissen. Wir haben Angst, dass sich Menschen, speziell Freunde zurückziehen, wenn wir ihren Forderungen nicht nachkommen. Doch mal ehrlich: Wenn das wirklich geschieht, ist das nicht wesentlich besser für dein Seelenheil und ungeheuer befreiend. Ein Nein trennt und entzweit, darauf müssen wir gefasst sein. Deshalb erfordert es eine große Portion Mut, das Nein wieder zu erlernen. Wer dich als Jasagerin kennt, als ständig hilfsbereites Engelchen wird auf dein erstes Nein mit großen Augen und Unverständnis reagieren.

Sag Ja zum Nein sagen

Atme tief durch und achte genau auf dein Bauchgefühl bevor du Ja sagst. Es ist nach wie vor da, hab Vertrauen. Das kleine Ziehen im Bereich unter dem Magen ist dein wichtigster Ratgeber. Wie fühlt es sich an, wenn du auf die Bitte um Hilfe mit „Nein“ antwortest, weil du dadurch die Zeit gewinnst, die du mit Lesen verbringen willst? Wie fühlt es sich an, wenn du mit „Ja“ antwortest und aus deiner liebsten Beschäftigung wieder einmal nichts geworden ist? Wie ein Verrat an dir selbst?

Der Kollege bittet dich um Unterstützung bei einem Projekt. Du ahnst, dass da ein ganzer Rattenschwanz von Bitten folgen wird, und es nicht bei der einmaligen Hilfe bleiben wird. Letztes Mal hast du dich dummerweise darauf eingelassen und dich hinterher über deine Nachgiebigkeit geärgert. Schlaf einmal darüber, das bringt dir Abstand. Frage dich, ob du es schon mal geschafft hast, in einer solchen Situation Nein zu sagen. Wie ging es dir damit?

Hab Geduld mit dir. Mach dir klar, dass das Leben aus Geben und Nehmen besteht. Mal gibst du mit einem Ja deine Zeit und Hilfe, mal nimmst du dir mit einem Nein deine Freiräume. Die Waage sollte immer ausgeglichen sein. Übe zunächst bei Dingen, die dir leicht fallen. „Nein, mein liebster Schatz, ich gehe nicht mit ins Kino, da mir Actionfilme nicht gefallen. Nimm Hans mit und ich bin sicher, ihr beide werdet jede Menge Spaß haben.“

Sei nicht zu streng mit dir, wenn es nicht gleich klappt, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Neuer Tag, neues Nein, neues Glück, neue Freiheit.

Fällt dir ein Nein leicht oder bist du wie ich eine notorische Ja-Sagerin?

Lass uns zusammen LEBEN – LIEBEN – LACHEN
und viele bunte Sachen machen

Deine Elvira

9 Kommentare, sei der nächste!

  1. Liebe Elvira,
    die erste Hälfte ist so „köstlich“ aber wahr geschrieben. Ja so ging und geht es mir manchmal heute auch noch. Aber das musste ich erst lernen und das ging nicht von heute auf morgen. Den kleinen süßen Enkelkindern kann man natürlich keine Bitte abschlagen. Wenn mein Enkelkind Nr. 1 mich fragt ob sie nach der Schule zu mir kommen darf und wir einen Kuchen backen. Was will man dann sagen, auch wenn das der einzige Nachmittag ist, den man in der Woche für sich hatte. Aber das JA kommt schon nicht mehr so spontan bei mir (natürlich nicht beim Enkelkind 😉
    Mit etwas Überlegung kommt auch oftmals ein NEIN.
    Liebe Grüße
    Gudrun

  2. Liebe Elvira, danke, du sprichst mir so sehr aus dem Herzen.
    Wir sind alle aufgewachsen mit einer Generation von Müttern, die uns dieses altruistische Verhalten vorgelebt haben.
    Das habe ich als Wert in meine Familie übernommen.
    An und für sich ist Hilfsbereitschaft ja etwas gutes. Aber viele Fallen lauern in Form von “ gebraucht werden wollen“, “ Anerkennung, Selbstbestätigung, Selbstwert „….für gut empfundene Rastlosigkeit, …..
    Grenzen setzen fiel mir schon immer schwer und auf meine Bedürfnisse zu schauen. Wie schnell kommt sonst der Gedanke egoistisch zu sein auf.
    Nun da meine Kinder groß sind fällt es mir schwer, mich um mich selbst zu kümmern. Diese entstandene Leere muss ich erst wieder füllen lernen….

    Liebe Grüße, Adrian

  3. Liebe Elvira,
    ich weiß wieder mal genau wovon du sprichst! Als geborener Harmoniemensch fiel oder fällt es mir immer noch schwer „Nein“ zu sagen. Aber es klappt immer besser. Sogar bei den kleinen Lieblingen bin ich nicht die Endlosverwöhnerin. Grenzen sind wichtig und ich glaube, sie spüren manchmal sogar selbst, dass sie sie brauchen.
    Liebe Grüße
    Geertje

    1. Hallo, liebe Geertje,

      immer für alle da sein und es jeden recht machen geht eben nicht. Und die kleinen Lieblinge sollten wissen, wo es bei der Oma entlang geht, selbst wenn die Regeln dort andere sind als bei den Eltern und manches großzügiger gehandhabt wird, meistens jedenfalls.

      Ich wünsche dir ein wunderbares Wochenende und einen besinnlichen 2. Advent

      Ganz herzliche Grüße
      Elvira

  4. Hallo Elvira,
    oh ja, das ja-sagen kenne ich nur zu gut. Ich will es jedem recht machen und bleibe dabei oft auf der Strecke. Ich weiß dass ich das Nein-sagen auch lernen muss und bin gerade dabei es zu lernen. Und wenn ich Nein sage versuche ich es immer zu erklären warum. Es fällt mir noch sehr schwer. Aber ich gebe mir die Zeit.

    Liebe Grüße

    1. Das Nein ist eine schwierige Sache. Mal gelingt es sehr gut, dann wieder überhaupt nicht. Die Hauptsache ist, es sich immer wieder bewusst zu machen und üben, üben, üben.

      Herzliche Grüße
      Elvira

  5. Ja liebe Elvira,
    wie recht Du hast.
    doch der Drang, immer helfen zu wollen, sich den sozialen Dingen nicht verschließen dürfen-soweit man dazu in der Lage ist – zieht einem unweigerlich eine Zwangsjacke an.
    Aber: es gibt auch oft zu viel „Ja-Sager“ auf anderen Ebenen und anderen Motiven, wo ein Nein abzuwägen wäre.

    Liebe Grüße

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