Ich habe nichts anzuziehen oder warum ich entrümpeln sollte

„Du musst mal Entrümpeln und Ausmisten“, mäkelt meine innere Ordnungsliebhaberin beim Aufziehen der Schublade. „Du gehst im Chaos unter“, signalisieren mir meine Augen, während sie über meinen Schreibtisch wandern.

„Ich habe nichts zum Anziehen.“ „Unsinn, dein Kleiderschrank quillt über.“ So streiten sich meine beiden Hirnhälften. Die eine mit dem dringenden Bedürfnis nach Shopping-Erlebnis, die andere, die anhand komplizierter Formeln berechnet hat, dass in dem vorhandenen rechteckigen Raum kein Platz mehr für weitere Klamotten ist.

Langsam schleicht sich Krempel in mein Leben

Drei Situationen machten mir in den vergangenen 5 Monaten bewusst, dass ich Krempel besitze oder wieder angehäuft habe, den ich eigentlich nicht brauche oder nie verwende, weil ich ihn nicht mag.

  1. Ein fünfwöchiger Neuseeland-Aufenthalt mit meinem kleinen roten Köfferchen, der alles beinhaltete, was ich für diese Zeit brauchte. Zugegeben, zweimal war Waschtag angesagt.
  2. Die Aussage meines Enkelkindes auf Weltreise: „Mimi, wenn ich zurückkomme, dann räumen wir meinen Kleiderschrank aus. Ich bin gewachsen und vieles passt mir nicht mehr. Das kann dann weg. Du sollst mir dabei helfen. Und danach räumen wir zusammen deinen Schrank aus.“
  3. Für eine 4-Tage-Radtour füllten meine Sachen nur die Hälfte einer einzigen Gepäcktasche, und ich habe mehrfach geprüft, ob ich wirklich nichts vergessen habe. Es war alles vorhanden und 3 Teile sogar überflüssig.

Ordnung schafft Klarheit und wie sieht’s bei den Unordentlichen aus?

Wie oft hast du den leisen Tadel schon gehört im Leben: „Wie innen, so außen“. Du kannst diese Aussage auch umdrehen. Doch egal wie du sie drehst und wendest, sie sickert durch ständige Wiederholung langsam in dein Unterbewusstsein. Sie suggeriert dir, dass nur ordentliche Menschen strukturiert denken, zielgerichtet handeln und damit schlussendlich erfolgreich sein können. Ordnung schafft Klarheit. Das ist Fakt. Die sich in ihrer Unordnung wohlfühlen sind Wirrköpfe, welche nichts auf die Reihe kriegen. Allenfalls wird ihnen eine gewisse Kreativität zugestanden, mehr aber auch nicht.

Optimiert, strukturiert, geradlinig

Puhhh, irgendwie gewinne ich im Moment den Eindruck, dass hat ein bisschen was von Wahn an sich, oder sollte ich es „Trend“ nennen. Minimalisten sind im Kommen. Gelobt, was leer und damit großzügig aussieht. Im Trend, was glänzt und schimmert. Es wird optimiert, wo es nur geht, sei es an der Arbeit oder zuhause, sei es in der Natur, bei der Erzeugung unserer Lebensmittel oder sogar am eigenen Körper.

Gelobt sei, was glücklich macht

Jeder empfindet Herumliegendes anders. Die Auffassungen, ob das Wirrwarr in Schränken, Schubladen und Regalen etwas messiehaftes hat und nach Aufräumen schreit oder zum liebenswerten seltsamen Menschlein gehört, differiert. Was die Eine zärtlich mit Erinnerungsstücken oder Sammlung umschreibt, ist bei der Anderen unnützer Krempel, der dringend entsorgt werden sollte. Wo Jemand inmitten von Souvenirs, Krimskrams und Trophäen zur Höchstform aufblüht, geht der Nächste ein wie eine Primel. Bei der Einen weitet sich die Brust beim Anblick von Leere und Ordnung im Raum, der Anderen schlottern sämtliche Glieder in dieser kalten Atmosphäre.

Das zugemüllte Gehirn

Lebst du zufrieden in deiner Unordnung? Gut. Erfreut dich deine Ordnung? Auch gut. Jede hat ihre eigene Skala, den eigenen Gradmesser der Grenze zwischen gemütlich, geht noch und mein Kram wächst mir über den Kopf, droht mich zu ersticken, belastet mich. Dabei geht es hier nur um Dinge und Sachen. Doch wie ist es mit dem Anhäufen von Ideen, Informationen, Projekten, täglichen Herausforderungen und aufgeschobenen Entscheidungen? Sie müllen dein Gehirn zu, lassen deine Gedanken nicht zur Ruhe kommen, bringen dich um den Schlaf, fressen deine Energie auf.

Entrümpeln ins tägliche Leben einbauen

Ich gestehe, dass ich ein gewisses Chaos liebe, doch es ist eine Gratwanderung. Schnell nimmt es überhand, weil meine Bequemlichkeit lange Zeit sagt, dass mein kreativer Teil diese Unordnung unbedingt braucht. Das geht soweit bis ich irgendwann nichts mehr finde. Dann packt mich die Wut und es ist Großentrümpeln angesagt, dass die Fetzen fliegen. Das kostet zwar Zeit, doch hinterher fühle ich mich wie neu.

Einfacher geht es, wenn das Ausmisten in das tägliche Leben eingebaut wird:

  • Eine tägliche Ordnungszeit einplanen, in der du eine Viertelstunde eine Schublade oder ein Stück Regal entrümpelst.
  • Nimmt der Krimskrams überhand, muss jeden Tag ein Teil das Haus verlassen, so lange bis du wieder Luft bekommst.
  • Hast du keine Freude an bestimmten Sachen, hebst du sie nur auf, weil Tante Hertha dir das Teil geschenkt hat, weg damit
  • Vergiss Gedanken wie „Das könnte ich nochmal brauchen“ oder das Zwischenlagern im Keller, Dachboden oder sonst wo (außer es handelt sich um Legosteine, die bei uns seit 3 Generationen aufgehoben und benutzt werden)
  • Du liebst Krimis und Romane? Mal ehrlich, wie oft hast du sie zwei- oder sogar drei Mal gelesen? Nie. Also bringe ich sie nach dem Lesen sofort in die Bücherei. Dort freut man sich über neue Bücher, und ich könnte sie mir bei Bedarf wieder ausleihen.
  • Bei Kleidung habe ich ein simples System. Der Kleiderschrank ist symbolisch halbiert, eine Seite ist für Winter- die andere für Sommerkleidung reserviert. Zu Beginn der Saison hänge ich die Garderobe so auf die Kleiderbügel, dass dessen geöffnete Seite mich ansieht. Nach dem ersten Anziehen, kommt der Bügel anders herum in den Schrank. Sehen mich am Ende der Saison offene Bügelseiten an, frage ich mich, warum ich das Teil ein halbes Jahr nicht getragen habe. Gibt’s keine plausible Erklärung, gebe ich das Teil in den Roten Kreuz Laden. Genauso verfahre ich bei zusammengelegten Sachen wie Pullover: den Stapel mit der offenen Seite nach vorne in den Kleiderschrank legen. Sieht erst einmal unschön aus, doch am Ende der Saison erkenne ich sofort, was ich nie angezogen hatte. Mit diesem System habe ich immer topaktuelle Garderobe, die ich gerne anziehe.

Locker, flockig, leicht – ein völlig neues Lebensgefühl

Aufräumen, überflüssige Gegenstände aus der Hand geben, Ausmisten, Wegwerfen, was brauchst du, was nicht, welches Projekt willst du zu Ende bringen und von welchem wolltest du dich schon längst trennen – alles das schafft Klarheit. Am Ende fühlst du dich wunderbar leicht und möchtest geradezu davonschweben.

Trübe Gedanken verabschieden sich mit jedem losgelassenen Stück. Du kannst wieder atmen und fühlst dich leicht. Wenn du ein völlig neues Lebensgefühl brauchst, dann gönne dir einen Tag Großreinemachen, bei dem du dich von allem Schweren und Belastenden befreist. Rigoros. Probiere es mal aus. (Und die neue Frisur oder Haarfarbe kommt danach. Fetzt doppelt)

Wie hältst du es mit dem Ausmisten, Wegwerfen & Co.

Lass uns zusammen LEBEN – LIEBEN – LACHEN
und lauter bunte Sachen machen

Deine
Elvira

PS: Aktuell steht bei mir ein Wohnungswechsel an. Vor der Freude auf neue (aber kleinere) Räume steht jedoch das Loslassen vieler Sachen. Alle können eben leider nicht mit.

8 Kommentare, sei der nächste!

  1. Danke für die Inspirationen.
    Meine „innere Ordnungsliebhaberin“ ist anscheinend grad auf Weltreise 😉
    Für mich das Schwerste: Dinge, die mit Erinnerungen behaftet sind, besonders mit denen an meine verstorbene Mutter.
    Aber ich will es jetzt auch mit Unterstützung angehen. Der Termin steht schon fest 13. Juni.
    Bitte Daumenhalten.
    Dir viel Erfolg beim Schreibtisch und Schrank-Ausmisten.
    Liebe Grüße

    Beatrice

    1. Liebe Beatrice,

      Erinnerungen sind schwer loszulassen. Ein kleines Kistchen meiner Mutter und Oma darf im Keller bei mir stehen bleiben, ebenso wie das meines verstorbenen Mannes im Schrank. Ein Termin ist auf jeden Fall gut und die Hilfe von einer „unabhängigen“ Person ist Gold wert, denn ihr bedeuten diese Gegenstände nichts.

      Gut, dass du es demnächst angehst, denn je länger man damit lebt umso schwieriger wird es, so jedenfalls meine Erfahrung.

      Gutes Gelingen und ich drücke ganz fest die Daumen. Du schaffst es und hinterher ist es ein gutes leichtes Gefühl.

      Liebe Grüße
      Elvira

  2. Da ist soviel Wahres dabei! Den Tip mit dem Klamotten anders rumdrehen werde ich gleich mal aufnehmen.? Seit ich nicht mehr berufstätig bin bevorzuge ich andere Kleidung aber es war ja mal so teuer!! Mit dem Hausrat haben wir erlebt wie das ist wenn man die Haushalte von Verwandten auflöst. Seitdem versuche ich „unnützes“ nicht mehr anzuschaffen. Aber was ist unnütz? Mit dem Papierkram ist jetzt manches überflüssig zu verwahren in Zeiten des digitalen Papierkrams! Ich wünsche Dir ein sonniges Wochenende ???

    1. Liebe Leni,
      seit ich die Wohnung einer Verwandten auflösen musste, überlege ich auch bei jedem Teil, ob ich es unbedingt brauche oder es ein reiner Lustkauf ist.

      Wünsche dir einen schönen Tag und viel Erfolg beim Kleiderbügel falsch herum hängen und der Entscheidung, ob du dich am Saisonende doch trennen möchtest von einer Klamotte, die den Schrank verstopft.

      Liebe Grüße
      Elvira

  3. Liebe Elvira, ich unterschreibe bei jedem Wort… Vor allem bei der Gratwanderung zwischen Chaos und Ordnung. Und dem Bedürfnis nach BEIDEM. In allen Lebensbereichen… Danke für deine klaren Worte. Und die vielen praktischen Vorschläge – die ich vermutlich mal wieder nicht umsetzen werde….Aber gut, wenn man wenigstens weiß: Es GÄBE Möglichkeiten…
    Herzlichen Gruß
    Maria

    1. Liebe Maria, ich halte es auch sehr lange nach dem Motto aus „Wer aufräumt, ist nur zu faul zum suchen“.

      Einen ordentlichen Gruß
      Elvira

  4. Oh, wie Recht Du hast!! und- je älter Du wirst, um so schlechter kannst Du dich vom“Krempel“ trennen. Man könnte es ja noch mal gebrauchen oder: es sind ja Erinnerungen oder: die Kinder und Enkel sollten das auch mal zu Kenntnis nehmen und man weiß selbst, wie es war als man bei Oma/Opa einmal „ausgemistet“ hat , als sie von uns gingen.
    Man kann sich schlecht dagegen wehren, es könnte ja sein, dass man Dieses oder Jenes noch mal braucht.
    Klamotten? wie kann man die schon wegwerfen – haben Geld gekostet – auch wenn sie schon jahrelang nicht mehr getragen wurden.
    Du hast recht: man sollte einmal – wenn auch mit Tränen in den Augen – ganz radikal ausräumen. Habe es mir jetzt vorgenommen.
    Schöne Viehmarktzeit.

    1. Lieber Christian,

      danke Dir, dass Du den Artikel um einige Argumente bereicherst, mit denen wir das Aufräumen immer wieder hinausschieben. Und ich denke an dich, wenn ich mich jetzt mal über meinen Kleiderschrank und Schreibtisch hermache.

      Vielleicht laufen wir uns auf dem Festplatz über den Weg.

      Ganz herzliche Grüße
      Elvira

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